Patientenberatung - wie sie nicht sein sollte ...

Begonnen von ex.pectus, 29. September 2013, 11:15:58

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ex.pectus

#15
Zitat von: Sascha am 30. September 2013, 09:08:25
Man muss allgemein differenzieren können,

Differenzieren ist ein Super-Stichwort!

Mir ging es hier im ersten Beitrag des Threads hauptsächlich um die Beratung, nicht so sehr um Einzelergebnisse.

Einzelergebnisse spielen bei der Beratung aber natürlich auch eine Rolle. Zum einen dürfen Einzelergebnisse den Aussagen der Beratungen nicht widersprechen und zum anderen sollte man isolierte Einzelergebnisse nicht unzulässig verallgemeinern.


Konkret:
Wenn also ein Arzt in einer Beratung versichert, dass eine Nuss-OP bei einem 31jährigen nicht erfolgreich sein kann, dann ist das nachweislich falsch. Damit beruht die Beratung auf falschen Grundlagen und ist letztlich nicht zu gebrauchen.

Allerdings ergibt sich die Unbrauchbarkeit der Beratung ja nicht nur hinsichtlich solcher Einzelfälle. Die vorgenommene Gewichtung zwischen "offener Methode" und "Nuss-Methode" ist nicht mehr zeitgemäß. Sie hingt vielleicht bis zu 10 Jahre der Zeit hinterher.

Die Nuss-Methode ist bzw. gilt bei vielen in der Fachwelt als "Gold Standard". Die offene Methode ist es nicht mehr. Dazu habe ich etliche Belege oben im ersten Beitrag hinzugefügt. Der zeitlich erste in dieser bescheidenen Auswahl ist von 2003 (!), also von vor 10 Jahren.

Das darf man als Arzt bei einer vergleichenden Beratung der OP-Methoden nicht einfach ignorieren, wenn man es ehrlich meint. Von ethischen, standesrechtlichen und strafrechtlichen Aspekten will ich hier gar nicht anfangen.

Abgesehen davon frage ich mich auch nach welchen Kriterien, die Synthes-Platten "genial" sind, wie der Arzt meint. Ich denke, diese Platten werden erst seit kurzer Zeit angewendet. Vorgesehen ist, dass man sie im Körper behält. Man kann sie aber auch entfernen lassen. Wie sind die Langzeiterfahrungen, wenn man sie lebenslang im Körper behalten würde? Gibt es Mini- bzw. Mikrokorossionen? Sonstige Auswirkungen? Sind sie hinderlich bei im Laufe des Lebens erforderlichen Röntgen-, CT-, MRT-Untersuchungen (werden deshalb Krankheiten nicht erkannt)? usw. usf. Was passiert mit dem OP-Ergebnis, wenn man sie wieder entfernen lässt? Das sind für mich offene Fragen, die sich in keinster Weise mit der Floskel "genial" vereinbaren lassen. Wenn ein Arzt den Begriff "genial" trotz solcher offenen Fragen verwendet, macht das für mich ebenfalls keinen guten Eindruck!

Wie gesagt, sind das für mich offene Fragen. Das heißt nicht, dass die Antworten darauf negativ sein müssen. Es kann durchaus sein, dass diese neue "Erfindung" der Synthes-Platten-Methode zu guten Ergebnissen führt. Aber wenn ich das richtig sehe, befindet sich das doch jetzt noch im "Experimentierstadium". Nur dass man Experimente mit Menschen nicht so nennt, sondern das Studien nennt. Aber vielleicht gibt es dazu offiziell auch gar keine Studien.

Täusche ich mich oder wird hier eine sich als unterlegen erwiesene Methode (Erlanger Methode) mit einem neuen, noch nicht etablierten Verfahren kombiniert und als besser dargestellt? Besser als der zwischenzeitliche Gold Standard, nämlich die Nuss Methode? Falls ja, dann ist dagegen ja grundsätzlich nichts einzuwenden, denn es gilt in D ja wohl Therapiefreiheit, allerdings setzt das eben eine zutreffende Aufklärung der Patienten voraus.


Genaugenommen, also differenziert betrachtet, bezieht sich diese Unbrauchbarkeit der Beratung, ja nur auf die empfohlene OP-Methode. Bspw. hat rabbit darauf hingewiesen, dass man in Erlangen eine fachkundige Einschätzung seines Brustkorbs bekommen wurde, so dass sich schon alleine deshalb die Fahrt lohnen würde. Auch wenn das offenen Verfahren bei einer 1. OP eher zu vermeiden ist.

Konkret:
Beratung ist nicht gleich Beratung. Auch wenn die Beratung zur OP-Methode unbrauchbar ist, kann die Beratung zum Brustkorb vielleicht ganz nützlich sein (insbesondere für die benötigte Kostenzusage).

Hinweis: Es ist definitiv nicht so, dass eine einmal erteilte Kostenzusage nur für ein bestimmtes Verfahren oder gar nur für ein bestimmtes Krankenhaus gilt. Die Kostenzusage gilt ganz allgemein. Man hat freie Arzt bzw. Krankenhauswahl. D.h. es reicht, wenn man eine Kostenzusage für irgendeine Methode hat. (Nur bzgl. Fahrkosten gibt es eine Einschränkung auf das nächste geeignete Krankenhaus.)
Trichter-/Kielbrust Nuss-OP 22.10.2010 (43 J, m, 185 cm, 71,5 kg, Berlin-Buch Prof. Schaarschmidt)
2. OP=Bügelentfernung 20.11.2013 (Magdeburg, Dr. Lützenberg)
meine Trichterbrust-OP-Seite

Sascha

#16
Ist richtig und mitlerweile hundertfach bewiesen, dass die Aussagen von Prof. Carbon falsch sind. Er kann ja gerne seine Methode machen, aber absolute unwahrheiten über die konkurrenz Methoden zu verbreiten, finde ich nicht in Ordnung.
Da sieht man mal wieder wie wichtig es ist, sich umfangreich und unabhängig zu informieren, bevor man sich operieren lässt.
OPs :
2000 (Nuss), vorzeitge Entnahme, da innere Blutungen, keine Schmerzen
2003 (Erlangen), Grausame Optik, direkter wiedereinfall, dauerhafte Schmerzen
2005 (Nuss) Brust stabil, nach Bügelentnahme bleibende Schmerzen
2014 (Erlangen-Synthes) vollständige Fixierung + optische verbesserung, bleibende schmerzen.
2016 Entnahme in FFM.
Seit 2017 Frührentner.

Alter bei Ops : 16,18,20,29,32.

ex.pectus

#17
Zitat von: ex.pectus am 29. September 2013, 11:15:58
Was man aber nicht machen kann, ist, sich so (subtil) irreführend über die Nuss-Methode zu äußern, wie es oben getan wurde, wenn man einen Patienten zu dem Thema berät!

Apropos (subtile) Irreführung ...

Auf der Informationsseite des Trichterbrustzentrums Regensburg heißt unter dem Abschnitt "Chirurgische Verfahren" unter anderem:

"Grundsätzlich ist zu unterscheiden zwischen

  • konventionellen (offenen) Korrekturverfahren (z.B. nach Ravitch, Rehbein, Hegemann, Willital u.v.a.);
  • halboffenen und endoskopisch assistierten Verfahren (z.B. MEK nach Hümmer);
  • MIRPE nach Nuss;
  • rein endoskopischen Korrekturverfahren;
  • offen oder endoskopisch eingebrachten Implantaten."

Dann folgen weitere Erläuterungen und am Ende heißt es:

"Welches Verfahren in Ihrem Fall/bei Ihrem Kind/in der konkreten Situation zu empfehlen ist, wird Ihnen der Operateur nach seiner persönlichen Erfahrung erläutern."
http://www.trichterbrustzentrum-regensburg.de/?page_id=52

Für mich hört sich das gut an. Da haben welche den kompletten Überblick über die ganzen Verfahren, mit denen man so eine Trichterbrust behandeln kann. Da kann man sich bestimmt gut beraten lassen, welches Verfahren im eigenen Fall in der konkreten Situation zu empfehlen ist. Wird ja sicherlich dann oft der Gold Standard sein, also die Nuss Methode. Oder jedenfalls doch sehr häufig die Nuss-Methode sein.

Aber ich glaube, dass es so nicht gemeint ist, jedenfalls nicht gemacht wird. Entscheidend ist wohl die Formulierung "nach seiner persönlichen Erfahrung". Bedeutet wohl, wenn der Operateur bisher keinerlei Erfahrung mit Nuss oder jedenfalls keine guten Erfahrungen mit Nuss gemacht hat, dass man wohl nicht Nuss empfohlen bekommen wird.

Oder wie würdet ihr das verstehen? Wurde jemandem schonmal die Nuss-Methode in Regensburg empfohlen?


Zum besseren Verständnis:
"Professor Hümmer führt diese Operationen am Brustwandzentrum der Klinik St. Hedwig, Krankenhaus Barmherzige Brüder in Regensburg durch. Zusammen mit Professor Reingruber, dem Chefarzt der Klinik für Kinderchirurgie und Oberarzt Dr. Weber, beide Schüler von Prof. Hümmer, sind damit an dieser Klinik die Operateure mit der weltweit umfangreichsten persönlichen Erfahrung in dieser Methode tätig."*)
http://www.trichterbrustzentrum-regensburg.de/

*) gemeint ist die MEK nach Hümmer, also das, was hier meist mit Erlanger Methode gemeint ist (gilt als halboffen)

Prof. Hümmer (geb. 1943) war der Vorgänger von Prof. Carbon in Erlangen. Prof. Reingruber hat zuvor unter Prof. Hümmer in Erlangen operiert.

Es würde mich überhaupt nicht wundern, wenn die Herren bei der Biographie keinerlei persönliche Erfahrung mit der Nuss-Methode hätten.

Aber so wird es wohl doch nicht sein, denn andererseits heißt es auf der Homepage:
"Auch die Nuss-Methode (MIRPE) und die konservative Behandlung mit der Saugglocke nach Klobe werden in Regensburg angeboten; Informationen/Einweisungen erhalten Sie in der Sprechstunde."
http://www.trichterbrustzentrum-regensburg.de/?page_id=65

Aber kann das jemand bestätigen, der schon mal dort war? Bzw. was heißt "angeboten"? "Angeboten" in dem Sinne, dass die Methode real dort mit auf ausreichend hohem Niveau ausgeführt wird? Oder  mehr so in theoretischem Sinne "angeboten", quasi nur Alibi-mäßig?

Oder anders gefagt, wer wurde in Regensburg von dem Prof. Hümmer-Team schon mal nach Nuss operiert?
Trichter-/Kielbrust Nuss-OP 22.10.2010 (43 J, m, 185 cm, 71,5 kg, Berlin-Buch Prof. Schaarschmidt)
2. OP=Bügelentfernung 20.11.2013 (Magdeburg, Dr. Lützenberg)
meine Trichterbrust-OP-Seite