OP nach Nuss - LMU Klinikum München Großhadern (m, 26)

Begonnen von Jo1996, 04. Dezember 2022, 22:28:22

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Jo1996

Hallo zusammen,

nachdem ich bisher vor allem mitgelesen und von Euren Erfahrungswerten profitiert habe, nun auch ein Erfahrungsbericht von meiner Trichterbrust-Korrektur nach Nuss im LMU Klinikum München Großhadern. Weil ich relativ viel Respekt vor der OP und dem Krankenhausaufenthalt insgesamt hatte, fällt mein Bericht etwas umfangreicher aus. Vielleicht nimmt das dem ein oder anderen etwas die Angst :-)

I. Ausgangslage und erste Untersuchung

Dass ich (männlich, 26 Jahre) eine Trichterbrust habe (bzw. hatte), wurde bei mir erst als Erwachsener (etwa mit 19 Jahren) diagnostiziert, und zwar auch nur beiläufig im Rahmen einer Voruntersuchung für eine andere OP. Schon als Kind litt ich unter Rücken-, Nacken- und Schulterschmerzen infolge schlechter Körperhaltung, die allerdings nie auf meine Trichterbrust, sondern immer auf meine (geringfügige) Skoliose und Morbus Scheuermann zurückgeführt wurde. Seitdem war ich regelmäßig in orthopädischer und physiotherapeutischer Behandlung, wodurch die Problematik besser wurde. In den vergangenen Jahren kamen aber auch andere Beschwerden wie Reflux, Engegefühl und Schmerzen in der Brust (um das Brustbein herum) sowie Belastungsdyspnoe (insbesondere beim Sport) hinzu, sodass ich im vergangenen Frühjahr mit 25 Jahren erneut ärztlich vorstellig wurde.

Meine Trichterbrust war optisch nicht sonderlich ausgeprägt, weshalb ich von den Ärzten, die ich aufsuchte (Hausarzt und zwei Orthopäden) nur belächelt wurde. Sätze wie ,,es muss nicht jeder sportlich sein und eine gute Kondition haben", konnte ich als begeisterter, aber zunehmend sportlich eingeschränkter Triathlet schlicht nicht akzeptieren. Deshalb wandte ich mich aus eigener Initiative direkt an die thoraxchirurgische Abteilung des LMU Klinikums München in Großhadern, die ich über eine Google Recherche ausfindig machte und vereinbarte telefonisch einen Sprechstundentermin. Zumindest in meinem Fall (privat versichert) ging das ohne Überweisung.

Da ich keinerlei Vorbefunde vorweisen konnte, wurde ich in der Sprechstunde zunächst von einem Oberarzt der Abteilung (PD Dr. Sienel) klinisch untersucht. Er stellte die Diagnose (,,deutliche, nahezu symmetrische Trichterbrust, insbesondere das untere Drittel des Sternums betreffend, ohne Rippenbuckel"). Ich wurde nach meinen Beschwerden im Alltag (auch mithilfe eines Fragebogens) und meiner vorherigen Krankheitsgeschichte befragt. Dann wurde mir kurz erklärt, welche Behandlungsoptionen zur Verfügung stünden: Neben weiterer Physiotherapie und der Saugglockenbehandlung käme bei mir insbesondere eine Operation nach Nuss in Frage. Physiotherapie würde die Beschwerden zwar lindern, aber nie ganz beheben; außerdem müsse sie kontinuierlich fortgesetzt werden. Eine Saugglockenbehandlung lasse in meinem Alter erfahrungsgemäß keine nachhaltigen und zufriedenstellenden Ergebnisse erwarten. Deshalb wurde mir zu einer Nuss-OP geraten. Die Operation sei in meinem Alter gut durchführbar, weil ich schon ausgewachsen bin. Der Brustkorb sei mit Mitte 20 noch hinreichend flexibel für eine Korrektur, aber auch bereits hinreichend steif, sodass kein allzu großes Rezidivrisiko nach Metallentfernung zu erwarten sei. Ausgehend von meinem Augenscheinbefund sollten meine Beschwerden durch eine Nuss-OP vollständig zu beheben sein und ich dürfte mich auf ein kosmetisch schönes Ergebnis freuen. Danach wurde ich über die Risiken des Eingriffs und insbesondere die damit verbundenen Schmerzen aufgeklärt und mir wurde die Operationstechnik erläutert, bis alle meine Fragen beantwortet waren. Schließlich schickte man mich noch zum klinikeigenen Fotografen, der eine Fotodokumentation meiner Trichterbrust anfertigte.

II. Das weitere Procedere

Nach wenigen Wochen erhielt ich Post aus Großhadern. Sofern mein Behandlungswunsch fortbesteht, solle ich gewisse Untersuchungen bei niedergelassenen Fachärzten durchführen lassen, um die Diagnose abzusichern. Zunächst ließ ich ein CT des Thorax in Exspiration durchführen, was es dem Radiologen erlaubte, Haller-Index und Korrekturindex zu berechnen. Danach war ich beim Kardiologen, der eine Ruhe-Echokardiographie und ein Stressecho durchführte. Schließlich musste ich noch zum Lungenfacharzt, der diverse Messungen vornahm und ein signifikant vermindertes Lungenvolumen feststellte. Alle Befunde schickte ich via E-Mail an die Thoraxchirurgie in Großhadern. Einige Zeit später erhielt ich daraufhin vom LMU Klinikum Post mit einem Antrag auf Kostenübernahme, den ich zusammen mit allen Befunden und der Fotodokumentation bei meiner Versicherung einreichte. Die Zusage der Kostenübernahme vom Versicherer kam wenige Tage später.

III. Zweitmeinung

Obwohl ich fachlich wie persönlich einen guten Eindruck von der thoraxchirurgischen Abteilung des LMU Klinikums Großhadern hatte, wollte ich gerne eine ärztliche Zweitmeinung einholen. Nicht aus Misstrauen, sondern eher zu meiner eigenen Gewissheit. Weil die Trichterbrust im Erwachsenenalter nicht überall operiert bzw. behandelt wird, kam in meiner Nähe nur die thoraxchirurgische Klinik des städtischen Krankenhauses Bogenhausen in Frage. Dort vereinbarte ich einen Sprechstundentermin. Befunde und Schriftverkehr mailte ich vorab an das Sekretariat. Ein Oberarzt der Klinik (Dr. Hiebinger) hatte die Befunde bereits gelesen und nahm sich viel Zeit, um mit mir die Diagnose, die Behandlungsoptionen sowie deren Risiken und Chancen durchzusprechen. In meinem Fall sei die OP medizinisch indiziert, es handle sich allerdings nicht um einen Muss-, sondern um einen Kann-Eingriff. Unabhängig davon, ob ich mich operieren lasse oder nicht, hätte ich nach Aussagen des Arztes nicht mit weiteren gravierenden gesundheitlichen (Schäden an Herz oder Lunge etc.) oder finanziellen (Versicherungsregress etc.) Nachteilen zu rechnen. Auch das beruhigte mich. Auf die Frage hin, wie oft Nuss-Operationen in Bogenhausen durchgeführt werden, gab man mir die ehrliche Antwort, dass das LMU Klinikum wohl bedeutend mehr Erfahrungen aufzuweisen hätte. Außerdem wurden mir weitere Adressen in Bayern genannt, an die ich mich für eine Drittmeinung hätte wenden können. Mit der Beratung in Bogenhausen war ich überaus zufrieden. Außerdem wurde mir der Sprechstundentermin nicht einmal in Rechnung gestellt.

IV. Entscheidung pro OP und Planung

Nach dem Termin in Bogenhausen nahm ich mir bewusst ein paar Tage Zeit, um mir die Operation noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen. Eine weitere ärztliche Einschätzung brauchte ich nicht. Letztlich entschied ich mich dafür, den Eingriff in Großhadern durchführen zu lassen. Insbesondere wollte ich eine nachhaltige Behebung der Ursache meiner Beschwerden; aus rein kosmetischen Gründen hätte ich mich nicht operieren lassen (daher kamen aus Silikonimplantate usw. nicht in Betracht). Ich nahm eine längere Rehabilitationszeit und die Schmerzen in Kauf, um dafür auf lange Sicht beschwerdefrei zu werden. Leider war es sehr schwer, eine klare Antwort zu erhalten, ob die Beschwerdesymptomatik mit dem Alter zunehmen wird. Allerdings schwebte mir noch durch den Hinterkopf, dass ich mit nun 26 Jahren im ,,besten OP-Alter" sei. Daher die Entscheidung pro OP. Weil das LMU Klinikum Großhadern einen positiven Eindruck bei mir hinterlassen hatte, ich dort gut beraten und untersucht wurde, mehr Erfahrung als das Klinikum Bogenhausen hat und letztlich näher an meinem Wohnort liegt, entschied ich mich, den Eingriff dort vornehmen zu lassen. Weil sich aber mit Blick auf die Zeitplanung (Krankschreibung, Ausfallzeit, Schmerzmittelbedarf, Sportuntauglichkeit etc.) noch einige konkretere Fragen aufstauten, vereinbarte ich einen weiteren Sprechstundentermin, bei dem mir erneut PD Dr. Sienel Rede und Antwort stand.

Einige Zeit später vereinbarte ich telefonisch einen OP-Termin beim Zentralen Patientenmanagement der LMU Klinik. PD Dr. Sienel hatte bereits einige Dokumente ausgefüllt, die die Terminvereinbarung erleichterten. Per E-Mail erhielt ich weitere Unterlagen (stationärer Aufnahmebogen, Medikation, Adresse von Angehörigen und Ärzten etc.), die ich bei der stationären Aufnahme ausgefüllt und unterschrieben mitbringen sollte. Anberaumt wurde die OP für den 20. September, wobei die stationäre Aufnahme bereits am Vortag erfolgen sollte. Letztlich bin ich jedoch kurz vor dem OP-Termin an Corona erkrankt, weshalb der Eingriff nicht stattfinden konnte. Nach einer ,,Schonzeit" von mindestens sechs Wochen (ausgehend vom Tag des ersten positiven Covid-Tests) wäre die OP zwar bereits wieder möglich gewesen. Aufgrund privater Termine verschob sich die OP letztlich allerdings auf den 15. November.

V. Aufnahme, OP und Krankenhausaufenthalt

1. Stationäre Aufnahme (Montag – 14. November)

Am 11. November (Freitag) erschien ich zum PCR-Test in der Chirurgischen Poliklinik B. Diesen Termin vereinbarte ich zeitgleich mit dem eigentlichen OP-Termin. Am Nachmittag erhielt ich allerdings einen Anruf, dass meine OP wegen dringender Transplantationen um drei Tage verschoben werden müsse. Dennoch erhielt ich am 14. November (Montag) einen Anruf von PD Dr. Sienel, dass ich nun doch schon stationär aufgenommen werden könne. Mehr oder weniger spontan musste ich daraufhin meine Tasche packen und zum Klinikum fahren. Nach der Anmeldung in der Chirurgischen Poliklinik A wurde ich in die Anästhesieambulanz geschickt, wo ich zunächst einen Fragebogen zu akuten und chronischen Vorerkrankungen und meiner bisherigen Medikation ausfüllen musste. Anschließend hatte ich zunächst ein Gespräch mit einer Apothekerin, die mir Fragen zu meinen Medikamenten stellte. Danach folgte das Anästhesiegespräch, im Rahmen dessen man mir Fragen zu Vorerkrankungen und vorherigen Operationen stellte. Ich wurde über die Risiken des geplanten Narkoseverfahrens aufgeklärt und mir wurde, neben der Vollnarkose, eine Periduralanästhesie nahegelegt, da sich dadurch die postoperativen Schmerzen besser behandeln ließen. In die PDA willigte ich ein, was ich nachträglich auch nicht bereut habe.

Anschließend ging es auf die Station H6. Dort empfing man mich sehr freundlich. Man sichtete meine Unterlagen, machte erneut einen PCR-Test und brachte mich auf mein Zimmer (Drei-Bett-Zimmer in Einzelbelegung). Dort wurde mir kurze Zeit später Blut abgenommen. Außerdem führte eine Medizin-Studentin – ,,zum Üben", wie mir später gesagt wurde – einige neurologische Test durch, ehe ich zum Röntgen des Thorax (Ausschluss einer akuten Lungenentzündung etc.) und zum EKG geschickt wurde. Danach kam auch bereits eine Assistenzärztin der Thoraxchirurgie vorbei, die mit mir den geplanten Eingriff, die Risiken und die Schmerzbehandlung nochmal genau durchsprach. Dabei teilte sie mir mit, dass kurzfristig ein Bett auf der Privatstation F21 frei geworden sei und sie mich gerne dorthin verlegen würde, weil ich privat versichert sei. Als ich auf der Station F21 ankam, empfing man mich auch dort sehr herzlich. Die Station war viel kleiner und moderner; dennoch waren sehr viele Pfleger und – wie ich später gesagt bekam – Service-Kräfte aus dem Hotel- und Gastronomiebereich im Dienst. Mir wurde sogleich mein Zimmer gezeigt, das sehr hell, freundlich und fast wohnlich eingerichtet war. Mein Zimmernachbar war sehr nett und wir kamen die ganze Zeit über gut miteinander aus. Kurz darauf kam eine Service-Mitarbeiterin vorbei, die mich nach meinen Essens-Wünschen, Handtuchwechsel und dergleichen befragt hat. Dann gab's (um 16:30 Uhr) Abendessen, das weder besonders schlecht noch besonders gut war. Krankenhausessen eben. Am Abend kamen zwei Pfleger vorbei, die die Medikamente brachten (Mir-alles-egal-Pille), Vitalwerte erhoben und nach dem Rechten sahen. Auf Anweisung rasierte ich mir dann noch den Oberkörper für die morgige OP. Die Aufregung hielt sich in Grenzen, sodass ich noch ein wenig streamte (kostenloses W-LAN) und dann ins Bett ging.

Am kommenden Morgen gab es natürlich kein Frühstück, da ich für die OP nüchtern bleiben musste. Allerdings kam kurz nach 9 Uhr bereits die thoraxchirurgische Visite. Die beiden Operateure (PD Dr. Schneider und Dr. Fertmann) sowie die weiteren Chirurgen der Abteilung begrüßten mich und meinten, dass der Eingriff bald beginnen könne. Eine Schwester brachte ein OP-Hemd, das ich sogleich anzog. Kurze Zeit später wurde ich mitsamt dem Krankenbett von einem Transportfahrer abgeholt und in das OP-Zentrum gebracht. Nach kurzer Wartezeit kam eine sehr nette Schwester, die mich umbettete und mit mir wartete, bis der Oberarzt der Anästhesie kam, um mir den PDA zu setzen, was übrigens überhaupt nicht schmerzhaft oder unangenehm war. Dann ging's auch schon los, ich bekam eine Maske vorgehalten und war weg.

2. Die Operation (Dienstag – 15. November)

Laut OP-Bericht, Entlassungsbrief und Visite kann ich über die OP selbst Folgendes berichten: Mir wurden zwei Metallbügel der Firma Biomet (14 und 15 Inch) implantiert, die jeweils mit einer Seitenplatte (eine rechts, eine links) versehen sind. Zwei Bügel, weil das Sternum doch tiefer saß als nach den Röntgen- und CT-Bildern zu vermuten war und somit eine bessere Druckverteilung erreicht wurde. Außerdem gleicht der obere Bügel eine weitere leichte Einsenkung des Brustbeins aus, die sich ertasten, allerdings nicht sehen ließ. Die beiden Bügel befinden sich beide im unteren Drittel des Brustbeins. Die Intubationsnarkose sowie die gesamte OP waren komplikationslos.

3. Unmittelbar nach der OP (Dienstag – 15. November)

Obwohl ich relativ früh zur OP abgeholt wurde, kam ich erst irgendwann um 18 Uhr im Aufwachraum des OP-Zentrums zu mir. Wie lang der Eingriff dauerte und wie lange ich lediglich schlief, kann ich nicht genau sagen. Ich wurde zunächst noch im Liegen geröntgt und sodann zurück aufs Stationszimmer gebracht, wo ich dann für den ersten Abend zu nichts mehr zu gebrauchen war. Ich bekam nicht einmal mit, dass das Abendessen gebracht wurde und aß dementsprechend nichts – Hunger hatte ich aber eh nicht. Ich konnte mich schmerzbedingt kaum bewegen. Auch Sprechen fiel wegen der Intubation noch schwer. Mir wurde zwar gezeigt, wie man die Schmerzpumpe bedient (einmal den Bolus drücken und kurzzeitig fließt einmal pro Stunde mehr Schmerzmittel durch den Periduralkatheter), allerdings schaffte ich es aufgrund der Schmerzen und mangels Beweglichkeit ohnehin nicht, den Knopf, der am Bettgalgen befestigt war, zu betätigen. Ich erinnere mich noch, dass – wie jeden Abend und Morgen – Vitalwerte erhoben wurden, bevor ich wieder ein wenig wegdämmerte.

Die erste Nacht war ansonsten sehr schmerzhaft und kaum erholsam. Jeder Atemzug tat sehr weh und fühlte sich an, wie ein Stich in die Lunge. Hinzu kam, dass ich keine halbwegs einzunehmende Schlafposition (Rückenlage natürlich) fand, in der Rücken und Nacken weniger schmerzten – das Schlafen in Rückenlage hätte ich vor der OP besser einüben sollen! Als routinemäßig ein Pfleger vorbeischaute, bat ich um ein weiteres Kissen für den Nacken, das das Liegen bereits um ein Vielfaches angenehmer machte. Außerdem fragte ich nach einem (weiteren) Schmerzmittel, das mir die Nacht ein wenig erträglicher machte – am nächsten Morgen in der Visite erfuhr ich, dass das die ,,Not-Medikation" gewesen ist. Nichtsdestotrotz habe ich in dieser Nacht kaum geschlafen oder gedöst. Vielmehr habe ich aus dem Fenster gesehen und sie Sekunden und Minuten gezählt, bis die Nacht vorbei war und die Sonne aufgeht.

Jo1996

4. Erster Tag nach der OP (Mittwoch – 16. November)

Am nächsten Morgen kam kur vor 7 Uhr eine Schwester mit dem Medikamenten-Dispenser, bevor um 7:30 Uhr das Frühstück gebracht wurde. Erst da bemerkte ich, dass ich nicht nur über einen dünnen Schlauch aus meinem Rücken mit der Schmerzpumpe verbunden bin, sondern auch einen Blasenkatheter sowie eine Thoraxdrainage angelegt bekommen hatte. Hinzu kamen mehrere ,,normale" Zugänge in beiden Händen, Handgelenken und Unterarmen sowie ein Zentraler Venenkatheter rechts am Hals, die mich wie ein Nadelkissen fühlen ließen.

Zwar hatte ich keinen Hunger, allerdings motivierte mich die Service-Kraft dazu, wenigstens eine Kleinigkeit zu essen. Dazu musste ich mich aber erst einmal aufrichten, um an der Bettkante sitzend überhaupt an das Tablett heranzukommen. Mich stellte das unter den konkreten Umständen vor eine nicht überwindbare Herausforderung. Zwar versuchte ich noch, den Kopfteil des Bettes elektrisch möglichst aufzurichten, damit ich wenigstens schon einmal annähernd sitze. Allerdings hinderten mich nicht nur die Schmerzen daran, nach links zur Bettkante zu rutschen: Die Schmerzpumpe samt Bolus war am Bettgalgen über mir befestigt, der Blasenkatheter hing links am Bett und die Pumpe der Thoraxdrainage stand rechts neben dem Bett in einer Ladestation auf dem Boden. Alle drei hätte ich erst umpositionieren müssen, ehe ich mich überhaupt hätte aufrichten können – daily struggle eines Trichterbrust-Operierten :-). Ich beschloss daher, das Frühstück ausfallen zu lassen, was zwei eher ,,resoluten" Krankenschwestern weniger gefiel. Diese meinten, ich müsse heute bereits aufstehen, woran im Moment nicht zu denken war, jedenfalls nicht ohne stärkere Schmerzmittel und Unterstützung.

Kurz nach 9 Uhr fand die thoraxchirurgische Visite statt. Man erkundigte sich nach meinen Schmerzen und sah sich Brust und Thoraxdrainage kurz an. Die OP sei gut und komplikationsfrei verlaufen und ich könne mich auf ein schönes Ergebnis freuen. Auf meine Frage hin, wie ich es schaffen sollte aufzustehen, meinten die Ärzte, dass das heute noch nicht nötig und daher auch noch kein Physiotherapeut bestellt worden sei. Wegen der Schmerzen kam kurze Zeit später ein Team der Schmerzambulanz vorbei, das mich zu meinem Befinden befragte und daraufhin die Dosis des Schmerzmittels erhöhte, das mir kontinuierlich über den Periduralkatheter verabreicht wurde; zusätzlich erhielt ich einen weiteren Bolus pro Stunde. Daraufhin wurden die Schmerzen viel leichter zu ertragen. Durch die höhere Dosis Fentanyl schaffte ich es, wenn auch unter großem Kraftaufwand und mit einigen Schmerzen, mich an die Bettkante zu setzen und meine Tabletten (viermal täglich Paracetamol, Metamizol und Ibuprofen, morgens zusätzlich Pantoprazol) sowie Mittag- (12:30 Uhr) und Abendessen (16:30 Uhr) einzunehmen. Am Vormittag wurde mir außerdem der Blasenkatheter entfernt; meiner Ansicht nach etwas zu früh. Jedenfalls fühlte ich mich noch nicht mobil genug, um selbstständig ins Bad zu gelangen. Am frühen Nachmittag wurde ich von einem Transportfahrer zum Röntgen gebracht, wo ich kurz für die Aufnahme aufstehen sollte. Dabei wurde mir kurzzeitig schwarz vor Augen und ich wäre beinahe umgekippt. Beim zweiten Anlauf konnte das Röntgenbild im Stehen allerdings angefertigt werden, ehe ich auf Station zurückgebracht wurde. Die Nacht war ansonsten sehr durchwachsen. Einige Male kamen Schwestern und Pfleger vorbei, um mir ein Antibiotikum zu verabreichen oder Vitalwerte zu erheben. Allerdings kein Vergleich zur ersten Nacht :-)

5. Zweiter Tag nach der OP (Donnerstag – 17. November)

Der zweite postoperative Tag ließ sich bereits um einiges besser aushalten. Nach der sehr kurzen Visite kam das Team der Schmerzambulanz erneut vorbei und konnte die Schmerzmitteldosis wieder senken, was gut zu vertragen war. Weil der Periduralkatheter morgen gezogen werden soll, wurde zeitgleich Ibuprofen abgesetzt. Frühstück, Mittag und Abendessen konnte ich ohne Probleme zu mir nehmen. Am Vormittag begann die Schmerzpumpe lautstark auf sich aufmerksam zu machen, woraufhin ich den Schwesternruf betätigte. Ein Schlauch war gerissen, wurde aber sogleich wieder repariert. Auf Nachfrage wurde mein Gewissen beruhigt; zu einem solchen Defekt käme es sehr häufig und er beruhe regelmäßig nicht auf einem Fehlverhalten des Patienten.

Im Laufe des Tages kam eine Krankenschwester vorbei, die mir mitteilte, ich solle dringend meine Angehörigen anrufen, da sich diese schon zwei Tage lang auf Station bei ihr erkundigten, wie es mir geht. Weil ich mich bisher weder in der Lage (Kurzatmigkeit) noch in Stimmung fühlte, lange Zeit zu telefonieren, hatte ich darauf vertraut, dass meine Verwandten informiert wurden oder auf Rückfrage wenigstens Auskunft erhielten. Schließlich hatte ich sie zu diesem Zweck auf mehreren Aufnahmeformularen namentlich angeben müssen. Dies hatte leider nicht geklappt.

Am frühen Nachmittag kam zum ersten Mal ein Physiotherapeut vorbei, der mich mit dem Atemtrainingsgerät (CliniFlo) vertraut machte und mir half, die ersten paar Meter mit einem Gehwagen zurückzulegen. Danach ging ich zum ersten Mal nach der OP allein zur Toilette, was insoweit beschwerlich war, als ich nach wie vor an der Schmerzpumpe und der Thoraxdrainage hing, mithin zwei schwere Gerätschaften mit mir herumschleppen musste, möglichst ohne Schläuche abzuknicken und dergleichen.

Die Nacht verlief einigermaßen unruhig. Ich bekam wieder ein Antibiotikum über den ZVK verabreicht und Vitalparameter wurden erhoben. Zusätzlich kam nachts ein Pflege-Azubi, der mir etwas unbeholfen die Zugänge an Armen und Händen entfernte, woraufhin ich das Bett vollblutete. Als das Bett frisch bezogen war, meldete sich auch sogleich wieder die Schmerzpumpe, weil der Fentanyl-Vorrat aufgebraucht war. Nachdem der Infusionsbeutel ausgetauscht war, kehrte so langsam Ruhe ein.

6. Dritter Tag nach der OP (Freitag – 18. November)

Nach der Visite am Freitag wurde zunächst die Thoraxdrainage von zwei Assistenzärzten entfernt. Dazu musste man auf Kommando tief ein- und ausatmen. Die Prozedur war durchaus etwas schmerzhaft, auch wenn der Schmerz schnell wieder verging. Anschließend kam das Team der Schmerzambulanz vorbei, um den Periduralkatheter samt Schmerzpumpe kaum merklich zu entfernen. Da nun beide Geräte weg waren, fiel auch das Aufstehen deutlich leichter und das brennende Gefühl, das ich bei der Annaht der Thoraxdrainage hatte, verschwand. Nachdem die Schmerzpumpe nun entfernt war, wurde mir wieder Ibuprofen verordnet. Nichtsdestotrotz fiel ich in ein kleines Loch und die Schmerzen nahmen wieder zu. Auszuhalten waren die Schmerzen erst, als ich mit dem Abendessen um 16:30 Uhr Tilidin in Tablettenform bekam – die Verordnung von Tilidin war offenbar planwidrig verzögert, wie ein Pfleger meinte. Die Physiotherapie kurz nach Mittag verlief dementsprechend schleppend.

Am späten Nachmittag wurde mein Zimmernachbar entlassen und ich war bis zu meiner eigenen Entlassung allein im Zimmer. Als ich gerade das Antibiotikum via ZVK erhielt, bekam ich allerdings aus heiterem Himmel einen schlimmen Husten mit Auswurf, den ich zunächst versuchte zu unterdrücken; schließlich schmerzte der Bügel und die linke obere Brust bei jeder noch so kleinen Erschütterung. Allerdings entwickelte sich in den nächsten Minuten ein regelrechter Hustenanfall, woraufhin ich den Schwesternruf betätigte. Kurz danach kam ein Pfleger vorbei, der etwas überfordert wirkte. Es gab mir Sauerstoff und etwas zum Inhalieren, später verabreichte er mir ein Medikament, was jedoch nicht wirklich half. Ich hatte den Eindruck, allmählich keine Luft mehr zu bekommen, weil ich permanent husten musste; die Schmerzskala hatte ich annähernd ausgeschöpft. Als meine Sauerstoffsättigung abnahm, wurde die Dienstärztin hinzugerufen, die ein Röntgen des Thorax veranlasste. Zu diesem Zeitpunkt dauerte der Hustenanfall bereits anderthalb Stunden an. Kurz, bevor ich zum Röntgen abgeholt wurde, war der Husten genauso schnell verschwunden, wie er kam. Auf dem Röntgenbild war nichts Auffälliges zu erkennen. Trotzdem war ich danach so entkräftet, dass ich das Abendessen nicht runter bekam. Die Nacht war wenig erholsam.

7. Vierter Tag nach der OP (Samstag – 19. November)

Am Samstag ging es stetig und rapide bergauf. Ich konnte das Bett relativ oft verlassen und auch ein paar weitere Strecken zu Fuß zurücklegen, ohne auf den Gehwagen angewiesen zu sein. Im Rahmen der Visite, die heute von einem Assistenzarzt abgehalten wurde, fragte ich wegen des gestrigen Hustenanfalls. Dieser war überrascht, meinte jedoch, dass das noch eine Folge der Intubation und Beatmung sein könnte. Er verordnete mir daraufhin einen Schleimlöser. Außerdem hatte ich seit der stationären Aufnahme, also mittlerweile knapp sechs Tage, keinen Stuhlgang mehr, worauf ich ihn hinwies. Dies sei eine übliche Nebenwirkung der Opiate, die die Verdauung verlangsamten. Mir wurde Moviscol und Magnesium verordnet, die auch alsbald wirkten. Die Physiotherapeutin, die heute zu mir kam, zeigte mir Techniken, mithilfe derer das Husten und Niesen besser auszuhalten sind (Hände vor der Brust verschränken bzw. mit den Händen, einem Handtuch oder Kissen auf die schmerzenden Stellen drücken) und eine Übung, die das Abhusten erleichterte (tief einatmen, Luft kurz anhalten und dann schnell und kräftig Hauchen). Diese Tipps halfen mir auch nach der Entlassung sehr weiter. Ansonsten fühlte ich mich gut genug, um mich heute erstmals ohne Hilfe zu waschen bzw. zu duschen (Tipp: das Jod lässt sich am besten mit einem Frottee-Tuch entfernen; die Pflaster gehen gut mit Pflasterentferner oder alternativ mit Speiseöl ab). Außerdem konnte ich endlich wieder eigene Kleidung anziehen, nachdem Schmerzpumpe und Thoraxdrainage entfernt waren.

8. Fünfter Tag nach der OP (Sonntag – 20. November)

Am Sonntag wurde die Visite wieder von einem der Oberärzte durchgeführt. Dort wurde mir zunächst eine Entlassung in Aussicht gestellt. Allerdings fühlte ich mich noch nicht fit genug, um meinen Alltag wieder allein bestreiten zu können. Deshalb empfahl mir der Arzt, doch noch eine Nacht auf Station zu verbringen. Zu meiner großen Freude wurde auch endlich der Zentrale Venenkatheter gezogen, der sich von Tag zu Tag lockerte und einfach nur noch störte. Mit den Schmerzen kam ich schon einigermaßen gut zurecht, die Medikation stimmte. Am Nachmittag wurde ich noch einmal zum Röntgen gebracht. Ansonsten verlief der Tag sehr ruhig.

9. Sechster Tag nach der OP (Montag – 21. November)

Am Montag ging es mir schon wieder relativ gut. Natürlich hatte ich noch Schmerzen und war in der Beweglichkeit eingeschränkt, aber ich wollte definitiv nach Hause, um dort gesund zu werden. Bei der Visite sahen sich die Chirurgen ein letztes Mal meine Brust und die Narben der Operation an und entschieden mich zu entlassen. In zwei bis drei Jahren solle ich mich in der Sprechstunde zwecks Metallentfernung melden; zu regelmäßigen Kontrollterminen müsse ich nicht erscheinen, bei Fragen oder Beschwerden könne ich mich allerdings jederzeit melden. Extrem- und Kontaktsportarten sind tabu. Ich solle mindestens vier Wochen in Rückenlage schlafen, starke Dreh- und Kippbewegungen des Thorax vermeiden und die Beweglichkeit in den nächsten drei Monaten schmerzadaptiv ausbauen; auf Belastungen des Thorax und Schultergürtels müsse für sechs Monate gänzlich verzichtet werden. Kurze Zeit später, als ich bereits dabei war, meine Tasche zu packen, händigte man mir noch den Entlassungsbrief, ein Rezept für Physiotherapie inklusive Schema und ein Rezept für Medikamente aus. Die bereits hergerichteten Medikamente für heute durfte ich mitnehmen. Als ich zur Abreise bereit war, gab ich mein Gepäck noch beim Schwesternzimmer in Verwahrung, weil ich noch einmal zum Fotografen musste. Anschließend begleitete mich ein Pfleger bis zum Haupteingang der Klinik, wo ich von Verwandten abgeholt wurde.

VI. Die erste Zeit zuhause

Daheim lasse ich die erste Zeit – mittlerweile ist die OP etwas länger als 2,5 Wochen her – ruhig angehen. Ich sitze viel und muss die Bewegung leider stärker reduzieren, als mir lieb ist. Die Schmerzen sind doch einfach noch zu groß. Im Alltag komme ich relativ gut zurecht, auch wenn Bewegungsradius (insbesondere der der Arme) und Kraft noch deutlich reduziert sind. Das merke ich etwa, wenn ich meine Schuhe binden will, ein T-Shirt oder Pulli an- oder ausziehe oder auch einfach, wenn ich etwas aus einem oberen Regalfach heben will. Etwas unwohl fühle ich mich, wenn ich – als Beifahrer – im Auto sitze, wo jede Bodenwelle etwas schmerzt. Auch beim Gehen muss ich noch etwas langsamer machen; die Erschütterung bei jedem Schritt tut etwas weh.

Was die Medikation anbelangt, konnte ich bereits am dritten Tag nach der Entlassung vollständig auf Opiate verzichten. Ibuprofen und Paracetamol wirken zuverlässig und schnell (etwa 30 Minuten).
Dauerhafte Schmerzen habe ich keine mehr. Neben dem soeben beschriebenen Erschütterungsschmerz, tun vor allem gewisse Bewegungen und Verrenkungen weh. Meistens spüre ich den Schmerz entweder seitlich, wo die Stabilisationsplatten liegen oder an den Rippenbögen. Beim Husten oder Niesen ist der Schmerz kurioserweise eher weit oben an der linken Brustmuskulatur. Ansonsten verspüre ich oft einen gehörigen Druck beider Bügel auf die Rippen. Im Bereich der Brust, wo die Bügel verlaufen, habe ich noch konstant Gefühlstörungen (Taubheit, Pelzigkeit, Gereiztheit der Nerven, Wärme).

Freizeitaktivitäten und insbesondere Sport lasse ich bis dato noch ruhen. Ich schlafe nach wie vor in aufrechter Rückenlage. Das ist momentan mit am bequemsten und erholsamsten. Um weiteren Hustenanfällen vorzubeugen, inhaliere ich regelmäßig mit isotonischer Salzlösung. Darüber hinaus trainiere ich zweimal am Tag mit dem Atemtrainingsgerät, das man mir in der Klinik gab. Seit Mitte dieser Woche (also nach etwas mehr als zwei Wochen post OP) bin ich in physiotherapeutischer Behandlung, wo vor allem Lymphdrainagen durchgeführt wurden; im Bereich der Achseln und der OP-Narben seien noch leichte Schwellungen zu verorten. Insgesamt versuche ich, mich möglichst normal zu bewegen und normal zu atmen, was manchmal besser und manchmal weniger gut gelingt. Ansonsten bemühe ich mich um eine möglichst aufrechte und gute Körperhaltung, was meiner Wahrnehmung nach auch etwas den Druck der Bügel auf die Rippen mindert.

Vor zwei Tagen, also etwa 2,5 Wochen nach der OP, war ich noch einmal in der LMU Klinik zum Fädenziehen. Zwar hätte ich dazu auch zu meinem Hausarzt gehen können; weil ich aber ohnehin in Kliniknähe wohne, wurde mir angeraten, nochmal in die Sprechstunde zu kommen. Das Ziehen der Fäden war nicht unbedingt angenehm, aber auch nicht schmerzhaft. Dabei tastete ein Assistenzarzt auch gleich die Bügel ab, ohne Auffälliges festzustellen. Das OP-Ergebnis sei überaus gut und die Narben würden gut verheilen. Für die Abrechnung mit meiner Versicherung druckte er mir sodann noch den OP-Bericht und die letzten Röntgenbilder aus.

VII. Zwischenfazit (4. Dezember – 2,5 Wochen nach der OP)

Optisch gefällt mir das Ergebnis der Operation schon sehr gut, auf wenn die Umgebung noch etwas geschwollen ist und die Narben hervorstechen. Die Muskulatur sitzt endlich dort, wo sie hingehört; der Brustkorbe hat eine Form, wie man sie sich vorstellt und auch die Rippen stehen nicht mehr so arg vor. Seit der OP habe ich gut an Muskulatur eingebüßt und etwas Gewicht zugenommen. Von daher freue ich mich, sobald ich wieder ins Training einsteigen und auch die Brustmuskulatur wieder etwas formen kann. Ich bin guter Dinge, dass die Schmerzen bald vergehen oder ich mich zumindest daran gewöhne. Nach erst einer Behandlung beim Physiotherapeuten kann ich diesbezüglich noch keine verlässliche Einschätzung abgeben. Allerdings bin ich auch bezüglich dessen Nutzen optimistisch. Ich werde abwarten und gerne berichten, wie es mit der Genesung weitergeht :-)