OP oder Saugglocke?

Begonnen von cereco, 13. Februar 2024, 15:44:26

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cereco

Hallo zusammen, ich stehe vor einer großen Entscheidung und hoffe, dass ihr mir hier vielleicht weiterhelfen könnt.

Ich bin 35 Jahre alt und habe eine Trichterbrust mit Haller Index 3,5. Optisch stört mich diese schon lange nicht mehr wirklich, nur hatte ich mit Anfang 20 erstmals das Gefühl, nicht richtig tief durchatmen zu können. Mit der Zeit hat sich das wieder gelegt (oder ich habe mich einfach daran gewöhnt, kann das nicht mehr recht beurteilen), nur in den letzten Jahren ist es wieder ein wenig schlimmer geworden. Ich fühle eine gewisse Barriere beim tief Einatmen und ein Engegefühl (auch wenn ich mich sportlich nicht eingeschränkt fühle), weshalb ich dem Problem auf den Grund gehen wollte.

Lungenfunktionstest und EKG waren normal, auch der Trichterbrust-Experte Dr. Rebhandl am Wiener AKH meinte zunächst, er glaube nicht, dass meine Trichterbrust für die empfundenen Atemschwierigkeiten verantwortlich sei. Dennoch haben wir auch noch CT gemacht, dabei wurde festgestellt, dass eine leichte Herzkompression vorhanden ist. Nachdem Dr. Rebhandl zunächst nicht zu einer Operation geraten hatte, meinte er nun doch, ich solle es mir überlegen.

Parallel habe ich mir auch eine Saugglocke besorgt und es relativ schnell geschafft, die Trichterbrust komplett "aufzupumpen", auch wenn sie nach der Verwendung natürlich schnell wieder zurückkommt.

Nun stehe ich vor der großen Frage: Probiere ich es über mehrere Jahre mit der Saugglocke und hoffe auf dauerhafte Besserung oder entschließe ich mich gleich für eine OP? Ist letztere das Risiko wert? Stehe ich eventuell im Nachhinein vor ganz anderen Problemen?

Was wären eure Gedanken/Empfehlungen?

Vielen Dank schon einmal für eure Unterstützung!






Lore Ley

Hallo cereco,

ich gebe dir mal meine persönliche Meinung dazu.

Erst der Kontext:
Ich (27 Jahre alt, männlich, Haller-Index 3,3) wurde vor zwei Wochen von Dr. Lützenberg in Ostercappeln mittels einer modifizierten Korrektur nach Nuss operiert, zwei Stäbe und ein Stabilisator wurden eingesetzt. Die Hebung des Sternums erfolgte langsam mittels Kranvorrichtung, ,,ohne größere Gewalt", dann wurden die Stäbe und der Stabilisator eingesetzt und nur mittels Fäden an den Rippen fixiert, ohne Schrauben. Das würde ich so als die momentan aktuellste Variante für diejenigen Patienten bezeichnen, für die eine Nuss-OP in Frage kommt. Vor der OP war auch mein Herz leicht komprimiert, unter Belastung konnte außerdem eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit der Lunge nachgewiesen werden.

Mit 17 Jahren wurde mir eine Saugglocke von einem anderen Arzt in Regensburg verschrieben (Durchmesser: 26cm), um meine damalige Situation hauptsächlich kosmetisch zu verbessern und evtl. eine zukünftige OP zu umgehen. In dem Alter war ich allerdings schon fast ausgewachsen. Die Saugglocke wurde daraufhin auch regelmäßig benutzt. Mit 18 Jahren wurde in Regensburg eine Verbesserung der Trichtertiefe von 1,0cm in Ruhe gemessen, wobei ich mir ganz sicher bin, dass dies lediglich durch die Lymphflüssigkeit bzw. Gewebeflüssigkeit des vorherigen ,,Aufpumpens" verursacht wurde. Mit Anfang 20 verlor ich dann die Lust an der Anwendung der Saugglocke, denn ich konnte eigentlich nie einen permanenten Unterschied feststellen, bis auf gereizte Haut, eingewachsene Brusthaare und manchmal kleine Blutungen. Durch die gereizte Haut musste ich auch immer längere Pausen in der Anwendung einlegen. Ab 24 oder 25 beschäftigte ich mich folglich wieder mit der Möglichkeit einer Operation.
 
Ich kenne zwar noch nicht mein Endergebnis nach der OP, trotzdem beiße ich mir heute in den *****, weil ich damals meine eigene Verantwortung zum Teil aus der Hand gegeben hatte und nicht gleich intensiv zwecks einer OP recherchiert habe und evtl. gleich Dr. Lützenberg oder einen vergleichbaren Arzt aufgesucht habe. Denn am Ende habe ich mir nur selbst unnötigerweise Zeit und Energie geraubt, ohne Lösung des Problems. Vielleicht wäre das Ergebnis damals auch noch besser geworden, zumindest hätte ich aber eine bessere sportliche Entwicklung gehabt und die Erholung und die Umstände während der Schulzeit wären optimal gewesen.

Fazit:
Aufgrund meines Werdegangs glaube ich nicht, dass man die Behandlung mittels Saugglocke überhaupt mit einer OP vergleichen kann, zumindest im Erwachsenenalter. Man kann die Saugglocke benutzen, damit man es mal ,,ausprobiert" hat, vielleicht stellt sich ja zusätzlich mit dem Training der Brustmuskeln eine gewisse Zufriedenheit ein. Aber ich schätze, eine Kompression des Herzens wird man damit nicht dauerhaft loswerden. Ich lasse mich gern eines Besseren belehren, aber bis jetzt habe ich von keiner Person gehört, die so etwas beschrieben hätte.

Mit einer OP geht man natürlich ein erhebliches Risiko ein. Zusätzlich zum Narbengewebe und den möglichen Nervenschäden wird das Resultat evtl. nicht so gut, wie man es sich wünscht, z.B. asymmetrisch. Im schlimmsten Fall wird man sogar ganz verpfuscht. Man sollte sich mehrere Meinungen von den besten Ärzten einholen, die man erreichen kann, auch wenn man dafür länger reisen muss. In diesem Forum werden oft Dr. Tarhan und Dr. Lützenberg als die besten Ärzte in Deutschland bezeichnet. Kritische Fragen zur OP-Technik sind auch wichtig. Ich bin mittlerweile sehr sicher, dass die Nuss-OP mittels Kranhebung einfach besser und moderner ist als das Aufzwingen durch die Stäbe selbst. Am Ende des Tages sind die Fähigkeiten des Chirurgen aber natürlich am wichtigsten.

Ich hoffe, ich konnte ein bisschen helfen, wahrscheinlich können dir andere Leute eine viel umfassendere Perspektive geben oder stimmen mir überhaupt nicht zu. Viel Recherche ist auf jeden Fall wichtig.

Viel Erfolg bei deiner Entscheidung.

cereco

Hi Lore Ley,

vielen Dank für diese sehr ausführliche und hilfreiche Antwort! Ich hätte noch eine Frage bzgl. der Nuss-OP mittels "Kranhebung". Das ist das erste Mal, dass ich davon höre und ich finde dazu online auch nichts, worum handelt es sich genau bei der Kranhebung? Mein Arzt würde die Nuss-OP nach Mustafa Yuksel anwenden.

Lore Ley

Hallo cereco,

vielleicht habe ich ein bisschen übertrieben mit der Kranhebung, damit wollte ich niemanden beunruhigen. Für eine gute Nuss-OP ist das mit Sicherheit nicht zwingend notwendig, es ist einfach eine der neueren Ergänzungen zur ursprünglichen Nuss-OP.

Gib mal auf Youtube und im Browser das Stichwort "Sternal elevation by crane technique" ein. Dann sollte man schon Ergebnisse sehen.
 
Manche Ärzte bevorzugen es im OP-Ablauf, andere nicht. Dr. Lützenberg benutzt das System laut Aussage seiner Assistentin seit etwa drei Jahren, er hat aber laut Forum und Patienten auch schon lange vorher gute Ergebnisse erzielt. Auch bei den Kranvorrichtungen selbst und deren Anwendung gibt es Unterschiede. Am wichtigsten sind das Können und die Erfahrung der Chirurgen und die guten Ergebnisse, die sie mit einer bestimmten Technik immer wieder erzielt haben, nicht der Zusatz von neuen Werkzeugen, etc. So sagt z.B. das "Vereisen der Nerven" (Intercostal nerve cryoablation) vor allem im amerikanischen Raum überhaupt nichts über die Qualität der Nuss-OP selbst und das Endergebnis aus.

Vielleicht beantwortet Dr. Rebhandl ja noch mehr Fragen im Detail.

Weiterhin alles Gute bei deiner Recherche.