Bügelentnahme Nuss Olgahospital Stuttgart m19

Begonnen von Alexanderry, 27. Juli 2024, 13:37:24

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Alexanderry

Hallo Community,

hiermit melde ich mich mal mit einem abschließenden Erfahrungsbericht bzgl der gesamten Trichterbrustkorrektur nach Nuss in der Kinderklinik (Olgahospital) in Stuttgart. Es wird etwas länger, da mein erster Erfahrungsbericht nur die Zeit unmittelbar nach der OP thematisiert. Ich versuche mich kurz zu halten, möchte aber auch möglichst viele Aspekte für OP-Kandidaten abdecken die hier mitlesen.

Vorab: Der Bügel wurde mir im September 2021 im Alter von 16 Jahren von Prof. Dr. Loff und Dr. Staubach eingesetzt. Ich war zu dem Zeitpunkt 190cm groß, wog 70 KG mit einer leichten/mittleren Trichterbrust (niedriger Haller-Index von 3, aber ausgesprägtes optisches Bild). Körperliche Beschwerden eher keine, mir ging es primär um eine schnelle, unkomplizierte optische Korrektur der TB. Mir wurde seitens des Arztes angeboten die Saugglocke auszuprobieren, ich habe mir allerdings recht schnell die OP gewünscht. (Ein Fehler im Nachhinein).

Bügeleinsetzung + direkte Zeit danach wurde bereits ausführlich beschrieben, auch wenn mir der Bericht im Nachhinein zu euphorisch erscheint.

Allgmein zur Tragezeit: Optisch war ich recht zufrieden, auch wenn noch eine leichte Delle zu sehen war (evtl durch Rippenbögen, die nicht korrigiert wurden). Leider hat sich die linke Narbe nicht gut entwickelt, da das Narbengewebe irgendwie am Brustkorb "angewachsen" war. Sie war konstant gerötet und störend. Generell habe ich den Bügel beim "expandieren" des Brustkorbs links unangenehm bemerkt, ein Fremdkörpergefühl. Vor allem beim tief einatmen hat der Bügel gestört, wodurch mein Allgemeinzustand durch wenig Bewegung immer schlechter wurde. Zwischendurch konnte ich etwas Sport machen, aber nur für kurze Zeit. Der Bügel hat immer wieder mal geknirscht und nach längerem Sitzen in ungünstigen Positionen richtig geschmerzt an den Bügelenden. Physiotherapie hat dem keine Abhilfe geschaffen. Mit diesen Beschwerden wurde ich ein paar mal vorstellig. Leider habe ich nur selten den operierenden Professor gesehen, trotz Chefarztsprechstunde, wodurch ich das Gefühl hatte nicht wirklich gut beraten zu werden. Positiv: Es wurde glaub 4-5mal ein Röntgen durchgeführt um die Position des Bügels zu checken, die unverändert "gut" war. Gegen Ende der Tragezeit war mein Alltag vor allem von dem störenden Fremdkörpergefühl (das definitiv stärker wurde die letzten Monate) und Atemnot bei Anstrengung geprägt. Generell hatte ich immer sehr schnell einen hohen Puls + Blutdruck. Das Alles ist mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht nur der OP geschuldet. Die mangelnde Bewegung nach der OP (Fehler meinerseits, ich hätte schneller mehr machen müssen) hat sicher auch zu Verspannungen und generellem Abbau der Kardiofitness geführt. Mit mehr Sport postoperativ hätte die Tragezeit sicherlich positiver verlaufen können.

Entnahme: Die OP wurde für den 24.07 geplant, Aufnahme für den 23.07. Ich hätte mich lieber vorher operieren lassen, wollte aber mein Abi abschließen und die Rezidivgefahr senken.

Am 05.07 war mein Abiball, wo ich mich leider mit einer Erkältung (Corona wahrscheinlich, wenngleich Tests negativ waren) angesteckt habe. Das hat mich ziemlich aus den Socken gehauen und meinen eh schon schlechten Zustand weiter verschlechtert. Bin dann noch nach Italien gefanren mit Freunden kurz vor der OP und habe mir da irgendwo Halsschmerzen direkt nach der ersten Erkrankung eingefangen.
Also war am 22.07 nicht klar, ob die OP stattfinden kann. Anruf am nächsten morgen im Krankenhaus: "Kommen Sie trotzdem vorbei, dass muss die Anästhesie entscheiden.". Also eher weniger als mehr fit ging es um 9 Uhr ins KH. Dort erstmal zur Anmeldung und dann auf die Station. Narkosegespräch war auf 15 Uhr terminiert.
Allgemein: Die Schwestern und das Personal generell sind super empathisch, geduldig und nett. Vermutlich auch, da der "übliche" Patient um die 16 Jahre jünger ist. Die Station und das Gebäude sind soweit modern, sauber und recht hübsch. Sowas schafft natürlich auch Vertrauen.
Am Dienstag wurde Blut abgenommen, Bilder von mir gemacht, ein Thoraxröntgen gemacht und mir das weitere Vorgehen vom Stationsarzt erklärt. Früher als gedacht wurden wir dann zum Narkosegespräch gerufen. Wir (ich und mein Vater) mussten uns um nichts selbst kümmern, die Orga im Background hat also soweit ganz gut funktioniert. Uns wurde auch ohne zu Fragen schon Essen gebracht, obwohl wir noch nicht final aufgenommen waren.
Anästhesist gab dann nach Rücksprache Grünes Licht, worüber ich schon froh war, da ich das Kapitel TB hinter mir haben wollte. Zurück auf der Station kam ich auf mein Zimmer. Leider war es kein Einzelzimmer (trotz PV-Versicherung), aber es ging halt nicht anders. Kein Thema. Mein Zimmernachbar war jung und schon länger im Krankenhaus, entsprechend genervt und laut. Aber man kann es ihm nicht verübeln. Gegen Abend wurde mir dann der OP-Zeitpunkt am nächsten Tag und die Nüchternzeiten mitgeteilt. Bis 0:00 Uhr Essen, trinken bis 11 Uhr am nächsten Tag, OP war für 16:50 Uhr geplant.
Es haben sich immer die Diensthabenden Schwestern vorgestellt und sich regelmäßig nach unserem Wohlbefinden erkundigt. Daumen hoch dafür  ;D , man merkte auf dieser Station nichts vom Fachkräftemangel in der Pflege. Am nächsten Tag bei der Visite kam dann der Chirurg kurz vorbei und hat 10sek. einen Blick auf mich geworfen, aber soweit nichts gesagt. Nachmittags wurden mir die OP-Klamotten gebracht und mitgeteilt, dass man leider aus dem Zeitplan sei. Also nix mit 16:50 Uhr. Ich bekam schon Angst auf den nächsten Tag verschoben zu werden, als ich dann endlich gegen 17:20 Uhr zum OP gerollt wurde.
Habe durch Zufall erfahren, dass das Olgahospital in den "letzten 2 Monaten 4 Patienten mit TB" hatte, ansonsten aber auch mal länger keine TB Fälle. Ich schätze (basierend auf unterschwelligen Aussagen des Personals, absolut Null Garantie für annähernde Richtigkeit), dass im Durchschnitt 5-10 TBs pro Jahr dort operiert werden.
Um 18 Uhr kam ich dann in den OP, wurde nett betreut und halt operiert. Aufgewacht bin ich um 20 Uhr mit starkem Hustenreiz und Verschleimung (von der Intubation?), aber keinen Schmerzen. Musste anscheinend auch 2x abgesaugt werden während der OP. Der Chirurg hat nach der OP mit meinem Vater gesprochen: Alles gut gelaufen, keine Auffälligkeiten oder Komplikationen.
Ich kam dann zurück auf die Normalstation, halb wach, halb am wegdösen. Das Atmen fiel mir nicht leicht, ich musste andauernd Husten. Bekam auch die Ganze Nacht Sauerstoff aufgrund meiner niedrigen Sättigung, hatte aber keine Schmerzen. Mein Puls war allerdings konstant sehr hoch bei 120-130. Um 4 Uhr morgens musste ich auf die Toilette und wurde ermutigt selbst zu gehen. Ging für kurze Zeit gut, dann wurde mir sehr schwindelig und schlecht, schnell schwer schnaufend zurück ins Bett :P . Nach dieser katastrophalen Nacht (immer noch keine Schmerzen) folgte der nächste Tag.
Ich wurde ausführlich per mobilem Ultraschallgerät begutachtet bei der Visite am nächsten Tag, es war kein Anzeichen für einen Pleuraerguss sichtbar.
Positiv: Ich hatte nicht mehr das störende Fremdkörpergefühl, keine Schmerzen und konnte wieder tief einatmen (auch wenn es sehr unangenehm war, Hustenreiz ausgelöst hat und halt "komisch war"). Die Brust sieht (bzw sah) auch unverändert aus.
Negativ: hoher Puls, sehr schnell Atemnot und allg. nicht sehr fit.
Ansonsten kam noch eine Physiotherapeutin vorbei und hat mir Übungen gezeigt und mich um die Station Gassi geführt. Generell konnte ich im Verlauf des Tages häufiger aufstehen und kurz rumlaufen, mein Kreislauf hatte sich langsam stabilisiert. Nachmittags wurde ich dann tatsächlich auf ein Einzelzimmer verlegt, da die Station leerer wurde und Kappa frei wurde. Das war natürlich direkt erholsamer.
Die Nacht war wieder blöd, da die Zugänge (3 Stück) an den Händen langsam schmerzten und unangenehm juckten. Dies war wirklich der größte Störfaktor.
Freitag: Endlich kam der Puls auf 80 runter und meine Sauerstoffsättigung war wieder "ok", ergo kein Sauerstoff über die Nacht. Hustenreiz wurde immer weniger und ich konnte langsam besser atmen.
Btw ich bekam über die ganze Zeit nur Novalminsulfon in einer recht niedrigen Dosierung.
Visite am Freitagmorgen: Erneuter Ultraschall und Verbandswechsel + Chirurg kam vorbei: Fazit: Sie sind in einem guten Allgemeinzustand, wir können Sie heute entlassen (ich erstmal recht perplex), keine Wiedervorstellung nötig. Weitere Wundnachsorge übernimmt der Hausarzt, bei Problemen sofort vorbeikommen. Also ab nach Hause, duschen (wasserdichte Pflaster), schlafen, entspannen. Treppen noch sehr anstrengend.

Heute (Samstag): 2,5 Tage postoperativ: Habe seit gestern keine Schmerzmittel mehr genommen, ich werde wieder fitter (konnte mir ohne Pause zum Frühstück Speck braten und Abwaschen, Treppen auch wieder "ok". Irgendwie ist mein Zwerchfell?? verspannt, auch jeden Fall merke ich es beim Husten und aufrichten (anspannen Bauchmuskel) unangnehem ziehen im Bauchraum. Liegt wahrscheinlich an der veränderten Atmung und Haltung. Ansonsten keine Schmerzen, das (tiefe) Atmen wird langsam leichter und weniger unangenehm. Generell würde ich sagen ist mein Allgemeinzustand wieder sehr viel besser. Ich bin froh den Bügel nicht mehr zu spüren und das Kapitel TB endlich hinter mir zu haben. Am Montag lasse ich den Hausarzt nochmal mit dem Ultraschallgerät den Brustraum checken + hoffent. EKG schreiben + Verbandswechsel, bevor ich mit leichtem Training (spazieren) anfange. Dann nach 2 Wochen kann ich laut der Physio wieder alles uneingeschränkt machen, daher gehe ich dann mal wieder ins Gym. Es müssen keine Fäden gezogen werden, da dieser innerhalb der Narbe liegen und sich selbst auflösen. Anscheinend wurde auch die unschöne Narbe links korrigiert, auch wenn ich es selbst noch nicht gesehen habe.

Soo, hiermit ist erstmal das Ende dieses Romans erreicht. Ich werde mich (wenn ich es nicht vergesse) mich demnächst nochmal mit Bildern melden, wie es sich so entwickelt hat etc. Falls ich was vergessen habe trage ich es nach, Fragen gerne stellen, auch wenn die Antwort länger dauern kann.

Fazit bzw Appell: An Alle die eine OP machen wollen würde ich gerne folgendes mitgeben: Probiert erstmal die nicht-operativen Behandlungsmethoden, auch wenn eine OP verlockend und einfach klingt. Es ist ein großer Eingriff, der auch gehörig schief gehen kann mit einem langen pot. Leidensweg. Lasst euch bei verschiedenen Stellen beraten und horcht in euch hinein: Warum möchte ich die OP? Aus optischen Gründen (auch wenn ich die psychische Belastung 100% nachvollziehen kann) empfehle ich die OP NICHT mehr. Sport, Physio und die Saugglocke sollten vor dem erwägen einer OP definitiv probiert werden. Falls die OP unausweichlich ist, geht zu einem Arzt dem ihr vertraut. Macht die OP-Entscheidung des KH AUF KEINEN FALL von räumlicher Nähe abhängig und versucht mit ehemaligen Patienten des KH Kontakt aufzunehmen. Und vor allem: Erwartet Probleme und eine lange Rekonvaleszensphase mit einem pot. nicht 100% perfekten Ergebnis. Ob ich die OP nochmal machen würde weiß ich nicht.

Over and out - Alex 27.07.2024
-15.09.2021 Nuss-Op Olgahospital Stuttgart
-24.07.2024 Bügelentnahme Olgahospital Stuttgart