Meine Odyssee bis zur Diagnose TB und OP-Bericht Dr. Lützenberg Januar 2024

Begonnen von Sylvie, 22. Mai 2024, 20:52:26

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Sylvie

Hallo zusammen! Ich bin Sylvie, 33 Jahre alt und habe viel Zeit als stiller Leser in diesem Forum verbracht. Ich habe mich nun dazu entschieden, meine Geschichte zu teilen. Achtung, könnte lang werden  ;D

Ich habe seit der Kindheit eine Trichterbrust. Damals hatte ich keine akuten Probleme, hatte aber immer einen höheren Puls als andere und auch weniger Audauer, obwohl ich viel in Bewegung war, Rad gefahren bin, Inlineskates usw. Habe mit Joggen angefangen, aber es aus Frust irgendwann aufgegeben, weil ich einfach keine Besserung der Ausdauer festestellen konnte. Ich war bei einigen Ärzten, aber keiner konnte einen Grund für meinen erhöhten Puls festestellen. Den Satz, den ich am häufigsten gehört habe, war: "Mach einfach mehr Sport"
Ja haha, vielen Dank auch.

Als ich dann anfing, ab und zu Druck auf dem Brustkorb zu haben und regelrechte Atemnotattacken, haben meine Eltern mich zu einem Kardiologen gebracht, der einen leichten Mitralklappenprolaps festgestellt hat, der aber keine Beschwerden machen dürfte und sich zum Glück auch nie verschlechtert hat. Da war ich btw 12 Jahre alt.
So lebte ich also mein Leben mit den noch leichten Einschränkungen. Bis Ende 2019...da ging es richtig los. Plötzlich heftigen Druck auf der Brust, Herzrasen, Übelkeit, Panik. Ich war alleine zu Hause und rief den Rettungswagen. Die haben mich mit Verdacht auf Lungenembolie ins Krankenhaus gebracht, mein Puls raste rauf und runter. Ich hatte furchtbare Angst.
Es wurde im Krankenhaus zum Glück nichts gefunden, ich wurde von einer wirklich sehr empathielosen jungen Ärztin mit den Worten "Es ist doch nichts, warum haben Sie immernoch so einen hohen Puls? Sie sollten zu einem Psychologen" entlassen.

Mir ging es nicht besser, es kamen Herzstolperer, Übelkeit und Schwindel hinzu. Wochenlang. Ich hatte fast jede Woche migräneartige Kopschmerzen, die manchmal 3 Tage anhielten, alles kam vom Nacken. Verspannungen und Blockaden ohne Ende. Ich war 2 Monate krankgeschrieben, war bei zig Ärzten und keiner konnte was finden. Ich war zwischenzeitlich davon überzeugt, an einer schweren Krankheit zu leiden und bald zu sterben, so schlecht ging es mir. Nie habe ich auch nur einen Gedanken daran verschwendet, dass diese Symptome mit dem Loch in meiner Brust zusammenhängen können.

Ich besuchte eines Tages einen Orthopäden, der sich meine Brustwirbelsäule anschauen sollte, ich hatte nämlich oft Blockaden/Verspannungen und eine leichte Skoliose. Als ich mich ausgezogen habe sagte er als erstes: "Sie haben ja eine Trichterbrust, lassen Sie das mal von einem Spezialisten ansehen! Sie sind sehr schlank und das alles kann ihr Herz einschränken."
An diesem Tag habe ich mich abends hingesetzt und dieses Forum gefunden. Einige Berichte gelesen. Ich stieß auf einen Bericht von einem jungen Mann, der fast genau das gleiche durchgemacht hat wie ich (weiß nicht mehr genau wer das war). Ich schöpfte also Hoffnung, meine Probleme vielleicht doch in den Griff zu bekommen. Schnell kristallisierte sich heraus, dass Dr. Lützenberg da die richtige Anlaufstelle für mich sein sollte. Ich vereinbarte also einen Termin in Ostercappeln.

Mai 2023 war es dann soweit, ich fuhr die etwa 220 km mit meinem Lebensgefährten nach Ostercappeln. Dr. Lützenberg hat sich viel Zeit genommen, eine Stunde waren wir dort. Schnell hat sich herausgestellt, dass meine Beschwerden sehr wohl mit meiner TB zusammenhängen können, im Herz-MRT sieht man die Einschränkung des Herzens. Klare OP-Indikation. Haller-Index 5,6.

Ich war wirklich perplex und hab gar nicht damit gerechnet, dass das alles doch so schlimm ist.
Ich habe nicht lange überlegt und am nächsten Tag direkt einen OP-Termin ausgemacht. Mein Leben war mit den Beschwerden nicht mehr lebenswert, ich war bereit alles zu tun um etwas an meiner Situation zu ändern. Zu einem anderen Arzt wollte ich auch nicht, Dr. Lützenberg schien mir perfekt, er hat sich wirklich viel Zeit genommen alles zu erklären, hat was die Riskiken angeht alles aufgezählt und nichts beschönigt und ist einfach super sympathisch! Ich wünschte viele andere Ärzte wären auch so wie er  :D

Meine OP war dann für den 17.Januar geplant. Ich versuche mich hier mal kurz zu halten:
Ich hatte natürlich wahnsinnigen Respekt davor und war dementsprechend auch sehr aufgeregt, was meine Beschwerden natürlich nochmal verschlimmerte  ::) Ich war als letzte OP für den Tag eingeplant und musste dementsprechend lange im OP-Gewand und Thrombosestrümpfen im Bett herumliegen und auf die Uhr starren  :P Ich habe auch keine "Scheiss-Egal-Tablette" bekommen, ich wusste nicht, dass man diese vorher anfordern muss... aber es ging auch so, irgendwie wurde die Aufregung weniger und die Freude, dass es endlich soweit ist, setzte ein.

Das erste woran ich mich nach der OP erinnern kann, war "Spannen Sie jetzt mal Ihren Oberkörper an, wir machen ein Röntgenbild, Achtung, wird kurz kalt am Rücken!"
Dann wurde ich auf der Überwachungsstation wieder wach, wo Dr. Lützenberg mit einem Assistenten (?) vor mir stand und sagte, dass alles gut verlaufen ist und ich 3 Titanstäbe eingesetzt bekommen habe, einer mehr als geplant. OP-Dauer 1 1/2 Stunden. Er war ganz begeistert, dass ich sofort "richtig" atme. Was ich selbst noch gefaselt habe weiß ich nicht mehr  ;D
Schmerzen spürte ich da keine, irgendwann musste ich kurz mal würgen, aber übergeben musste ich mich zum Glück nicht. Mir wurde mein Handy gebracht und ein Telefon, mein Lebensgefährte war dran. Ich habe dann die Nacht halb schlafend, halb am Handy spielend und Sprachnachrichten versendend verbracht.
Die Nachtschwester sagte mir, ich habe die Nacht super überstanden, ich musste zu keiner Zeit Schmerzmittel anfordern, mir ging es ganz gut!

Am nächsten Tag ging es auf die normale Station. Ich muss wirklich sagen, dass auch alle Pfleger dort auf Station super lieb waren und sich perfekt gekümmert haben. Ich hatte leider mit Schwindel zu kämpfen, sobald ich den Kopf angehoben habe. Das hat mich richtig fertig gemacht, das ging über die komplette Zeit in der ich da war. Es hat sich dann herausgestellt, dass das von dem starken Schmerzmittel Hydromorphon kam, welches man in hoher Dosierung erhält. Schmerztechnisch ging es aber wirklich besser als erwartet. Klar spürt man ein Reissen und Drücken, aber ich habe es mir wirklich schlimmer vorgestellt. Ich habe kein einziges mal zusätzliche Schmerzmittel anfordern müssen, und habe sogar das Novaminsulfon oder wie das heißt gar nicht mehr genommen, weil mir das Übelkeit beschert hat. Habe mir abends immer Kühlpads geben lassen, das hat gut gegen das Brennen im Narbenbereich geholfen.
Eigentlich sollte man ab dem dritten Tag versuchen aufzustehen, der Physio versuchte mich dazu zu animieren und mir eine Technik gezeigt, sich selbst aufzusetzen. Das klappte super, aber mir wurde sofort wieder schwindelig und übel, also habe ich die ganzen 8 Tage hauptsächlich im Bett verbracht... das ging mir wirklich an die Substanz und ich hatte einen kleinen Heulanfall... eine Schwester hat sich aber zu mir gesetzt und mich getröstet, das tat wirklich gut! Auch die Psychologin, die täglich mal vorbeischaute, hörte mir zu und hat einen aufgebaut. Ich kann euch wirklich dazu raten, dieses Angebot anzunehmen und mal euer Herz auszuschütten. Es hilft wirklich.

Dr. Lützenberg hat schnell festgestellt, dass mein Schwindel wohl an den Schmerzmitteln liegt, manche vertragen diese nicht so gut, und das sind schon wirkliche Hammer. Als ich dann am 5. Tag endlich aufs Klo konnte dank Abführmittel und die Schmerzmittel schon schnell runterdosieren konnte, wurde es auch merklich besser und ich konnte ein paar Schritte auf dem Flur laufen.

Die Bügel lagen perfekt, ich hatte keinerlei Komplikationen, fast keinen Pleuraerguss, auch meine Blutwerte waren laut Dr. Lützenberg phänomenal, die Narben komplett reizlos. Ich dürfte nach Hause am 7. Tag!
Ich bin freiwillig einen Tag länger geblieben, da mich wie gesagt die Nebenwirkungen der Schemerzmittel so umgehauen haben.

Am 8. Tag ging es dann heim, es wurden noch schnell Fotos vom Ergebnis gemacht und der Entlassungsbericht geschrieben. Ich saß wohl wie ein Häufchen Elend im Wartebereich und Dr. Lützenberg fragte, ob ich mich nicht hinlegen wollte oder doch noch einen Tag bleiben wollte. Das verneinte ich aber, ich wollte endlich ins traute Heim  ;D

Zu Hause angekommen dann der Super-GAU: Das Hydromorphon war nirgends zu bekommen. Ich hatte fast einen Meltdown, ich brauche doch Schmerzmittel 8 Tage nach OP! Habe mich dann mit Novaminsulfon durch die Nacht gebracht, hab aber mehr am Klo gesessen als im Bett verbracht, das hab ich ja auch im Krankenhaus nicht genommen, weil mir das auf den Magen schlug.
Bin dann direkt auf 3x täglich Ibuprofen 600 umgestiegen. Sobald ich vom Hydromorphon runter war, was schon 8 Tage nach OP der Fall war zwangsweise, ging es mir schlagartig besser, die Übelkeit und der Schwindel waren wie weggeblasen.
Die Schmerzen wurden natürlich schlimmer, war aber alles aushaltbar mit den Ibus.
Am schlimmsten waren dann die Rückenschmerzen, die etwa 2 Wochen nach OP begonnen haben. Richtige Krämpfe... kennen die ganzen Operierten hier bestimmt  ;D aber auch das war nach 3 Wochen überstanden.

Ich war sehr kurzatmig, stärker als vor der OP. Auch das Herzstolpern und der hohe Puls waren noch da, eher stärker ausgeprägt. Das hat mich etwas beunruhigt und ich schrieb Dr. Lützenberg eine Mail. Er hat mich dann schnell beruhigt und sagte das wäre völlig normal, ich solle Geduld haben und die Belastung LANGSAM steigern.
Ich war dann etwas übermotiviert und bin direkt auf den Crosstrainer gegangen, was mir dann aber schnell verboten wurde, erst nach 8 Wochen sollte man solche Spirenzien machen. Man muss wirklich Geduld haben und es langsam angehen lassen.

Es wurde von Tag zu Tag besser, auch wenn man manche Tage hatte wo es wieder schlechter war. Auch alles völlig normal.
Bin täglich bisschen Spazieren gegangen, mein Lebensgefährte musste dann neben der Arbeit noch den Haushalt schmeißen. Meine langen Haare mussten auch endlich mal richtig gewaschen werden, nur leider konnte ich nicht ohne Schmerzen die Arme heben, also musste mein Lebensgefährte da helfen. Das war eine reine Katastrophe, er war komplett nass und meine Haare danach noch verfilzter und alles tat weh  ;D  ;D
Also man sollte die ersten Tage/Wochen schon jemanden haben, der einem hilft, glaubt ja nicht ihr bekommt das alles selbst hin am Anfang... 2 Wochen nach OP konnte ich die Arme dann aber schon gut und weitestgehend ohne größere Schmerzen heben. Und meine Haare waren dann auch wieder fein und gepflegt :-D

7 Wochen nach OP hat mich das Noro-Virus erwischt, ich verbrachte die ganze Nacht auf dem Klo, musste mich bestimmt 20 Mal übergeben.
Natürlich tat mir der Brustkorb danach wieder mehr weh und die Angst, dass sich was verschoben haben könnte setzte ein. Also wieder Mail geschrieben. Antwort: Alles gut, nur keine Panik. Ich bin wirklich sehr dankbar dafür, auch nach der OP diese Betreuung zu haben!

Nun sind 4 Monate seit der OP vergangen und ich kann jetzt schon sagen, dass die OP die bisher beste Entscheidung in meinem Leben war. Ich hatte in den 4 Monaten nur einmal Kopfschmerzen, aber selbst verursacht. Hab es übertrieben mit dem Hanteltraining und den Nacken total verspannt. Ich bleibe bei reinem Ausdauertraining, aktuell versuche ich alle 2 Tage 40 Minuten auf dem Crosstrainer zu trainieren. Klappt auch gut und ich merke jetzt schon eine Verbesserung meiner Ausdauer. Ich nehme aktuell noch den Pulssenker Ivabradin, den werde ich aber vielleicht im August absetzen können, da ist mein erster Termin nach der OP bei meinem Kardiologen. Habe jetzt 4 Tage lang meine Pulsuhr getragen und einen Ruhepuls von 62, im Stehen immernoch oft über 100, aber das scheint bei mir einfach so zu sein, Stichwort POTS... mal sehen. Herzstolpern ist leider so geblieben, kann aber auch vom Rücken kommen, ich verspanne sehr leicht im BWS-Bereich durch die Skoliose und meinen Büro-Job. Die Nackenverspannungen sind aber so gut wie weg und die Kopschmerzen auch, hätte nicht gedacht, dass ich da so schnell eine Veränderung sehe. Dr. Lützenberg hat mir versprochen, die Nackenbeschwerden und Kopfschmerzen würden besser werden, was ich fast nicht glauben konnte, was bitte soll eine TB mit dem Nacken zu tun haben? Sehr viel wie sich herausstellte.

Man selbst nimmt diese Veränderungen manchmal gar nicht so extrem wahr. Mein Umfeld sagt mir, dass ich viel aufrechter laufe und irgendwie gesünder aussehe. Habe auch mehr Farbe im Gesicht, bin nicht mehr so blass wie ein Geist und wirke allgemein zufriedener. Bin ich ja auch :-D

Einziger "Nachteil", wo ich aber nicht weiß ob er etwas mit der OP/den Stäben zu tun hat: Ich habe ab und an mit Übelkeit zu tun, die vom Magen kommt. Mein Hausarzt sagte es könnte sein, dass mein Magen etwas irritiert ist durch die Stäbe, das Gewebe drumrum ist ja etwas gereizt und wund und fühlt sich "kribbelig" an, es juckt auch oft im Bereich der Narben und der Stäbe innen. Es brauch ja immernoch Zeit um zu heilen und sich alles neu einzurichten. Ich warte mal weiter ab, damit komme ich aber gut klar, weil es nicht allzu oft vorkommt. Die Taubheit ist auch noch da, aber stört mich wirklich nicht weiter... auch das kann sich noch bessern, mal sehen.

Mein Ziel ist es, die Pulssenker abzusetzen, meine Ausdauer zu erhöhen und ins Fitnessstudio zu gehen und meinen Rücken zu trainieren, in der Hoffnung dann weniger Blockaden und Herzstolpern/Herzrasen zu haben. Mit der OP wurde nun der Grundstein für meine weiteren Vorhaben gelegt  :)

Die Stäbe spüre ich kaum, den Stabilisator dafür umso mehr. Von jetzt auf gleich konnte ich nicht mehr auf der rechten Seite schlafen (Stabi ist links), es tat einfach wahnsinnig weh. Auch manche Bewegungen haben blitzartige Schmerzen verursacht. Der Stabi macht wohl bei einigen Leuten Probleme. Sollte da mal ein paar Tage Diclofenac nehmen. Musste ich aber gar nicht, nach ein paar Tagen wurde es von selbst besser. Momentan zwickt er wieder mehr, Aufrichten nach langen Sitzen/Liegen ist der Killer. Aber hey, ich komme damit klar. Nach einem halben Jahr kann das Ding auch entfernt werden, wenn es akute, durchgehende Probleme verursachen sollte. Aber hoffen wir mal das Beste! Im Alltag beim Sitzen/Gehen und Sport spüre ich fast nichts mehr, nur eben bei gewissen Bewegungen.

Herzlichen Dank an alle, die bis hierhin gelesen haben und wer noch Fragen hat kann gerne fragen!

Liebe Grüße,
Sylvie  :)

Mudo

Hi Sylvie,

vielen Dank für deinen ausführlichen Bericht. Sowas hilft wirklich weiter. Es bestärkt mich die Operation machen zu lassen.

Danke dir :)

Layon

Hallo,

vielen Dank für diesen Bereich. Ich hoffe, es wird dir im Laufe der Zeit immer besser gehen.

Wie viel hat die OP bei Dir ungefähr gekostet, wenn ich fragen darf?

Schönen Tag!