Trichterbrust-OP 8.2.2010 (Berlin Buch)

Begonnen von T-T-T, 13. Februar 2010, 13:25:58

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T-T-T

Nach über einem halben Jahr mal eine weitere Zwischenbilanz.

Was hat sich beruflich verändert?
Nicht viel. Ich bin weder erfolgreicher, noch ist meine Firma den Bach runtergegangen. Ich nehme mir aber mehr private Zeit, als ich es vor der OP getan habe. Hätte es nach der OP heftigere Komplikationen gegeben, hätte ich definitiv finanziell erhebliche Schwierigkeiten erlitten.

Inwiefern habe ich mich verändert?
Ich habe keine TB mehr.  ;) Nein, der gesamte Krankenhausaufenthalt hat mich tatsächlich stark verändert und mir viel Zeit gegeben über mich und die Welt nachzudenken. Das Thema Trichterbrust spreche ich seitdem auch sehr offensiv an, die Narben versuche ich nicht einmal zu verstecken und fast jedes Gespräch ist sehr positiv. Durch meinen Trichterbrust Blog habe ich eine ganze Menge neue Leute kennengelernt und im Nachhinein gemerkt, wie viele Betroffene es gibt. Da ich auch tatsächlich auch auf ganz praktische Weise helfen kann, werde ich mich auch künftig engagieren. Ich denke, dass ist viel besser, als irgend einer anonymen Hilfsorganisation Geld zu überweisen.

Wie sieht's gesundheitlich aus?
Es wäre gelogen zu sagen, dass ich den Bügel nicht mehr spüre. Auch die Rötung ist nach wie vor da. Gewöhnt habe ich mich aber an all das schon lange. Meine Leistungsfähigkeit ist mit der vor der OP ungefähr vergleichbar. Da ich manchmal nur einmal in der Woche ins Fitness-Studio kommen, habe ich nach wie vor keinen voll durchtrainierten Oberkörper.
Herzrhytmusstörungen spüre ich nicht mehr, Sodbrennen auch nicht und Rückenschmerzen nur dann, wenn ich zu lange am PC war. Beim Sport neigt der Körper nicht mehr dazu bei der kleinsten Anstrengung den Puls zu sehr nach oben zu korrigieren.

Wie sehen die Narben aus?
Hm, gut. Langsam passt sich die Farbe der Haut an, aber auch das spielt keine Rolle, da sie nach der zweiten OP wieder voll da sein werden.

Sonst noch was?
Am Flughafen haben sie den Bügel bislang noch nie bemerkt. Immer wenn ich den Implantatsausweis vorlege, bekomme ich Behindertenrabatt und sehe in Betroffenheitsgesichter. Ich find's lustig.
Operiert am 8.2.2010 in Berlin Buch nach Nuss

Mein persönlicher, subjektiver Blog, nicht nur über
meinen eigenen Fall:
http://trichterbrust.blog.de

tbblabla

"Immer wenn ich den Implantatsausweis vorlege, bekomme ich Behindertenrabatt und sehe in Betroffenheitsgesichter. Ich find's lustig."

Was meinst du genau damit?  ;D

MistTB

Hallo T-T-T !

ja wegen den Narben - stimmt, die gibts dann wieder neu.  Das hab ich mir auch erst jetzt überlegt, dass man doch eine ganze Zeit damit gezeichnet ist.
Ja aber lebt sich viel einfacher damit als mit TB.

Meine OP ist jetzt 2 Monate her u. ich hab z Zt. das Problem mit der Bandage, also man sollte sie ja die ersten 6 Wochen nach Verlassen vom KH noch ständig tragen.
Und dann? Ganz weglassen oder erstmal noch zeitweise tragen?  Ich hab sie jetzt doch wieder stundenweise noch um, fühle mich dann besser.

Implantatsausweis - musst mal im Blog von T-T-T- lesen @tbblabla  - bei Eintritt in Museen z.b..  ich hab den Ausweis bisher aber noch nicht genutzt


T-T-T

Hi MistTB,

das ist jetzt zwar offtopic, aber trotzdem: die Bandage wird Dir aktuell nichts mehr bringen. Die Bandage hat zwei Hauptfunktionen. In den ersten Tagen kann sie dafür sorgen, dass die Narben einen nur kleinen Wulst bilden, also nicht so dick werden.

Wenn bei jemanden außerdem die Rippen angebrochen oder gebrochen wurden und das ist bei den meisten in Berlin behandelten aus ästhetischen Gründen der Fall, sorgt der Druck der Bandage dafür, dass die Knochen so zusammenwachsen, dass sie nicht mehr so weit hervorstehen. Sorry, für dieses Satzmonster!

Zu meiner Rötung: die ist ja jetzt schon einige Monate da und wird wohl von sich aus auch nicht mehr verschwinden. Damit muss ich wohl erstmal leben...ich hoffe, dass sie nach der zweiten OP weggeht, aber auch das ist nicht unbedingt gesagt.
Operiert am 8.2.2010 in Berlin Buch nach Nuss

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T-T-T

So, heute feiere ich exakt ein Jahr Leben mit dem Bügel. Ein Leben, das insgesamt doch richtig angenehm ist und bei dem sich sehr viel verbessert und wenig (aber nicht gar nichts) verschlechtert hat.

Ich hoffe wirklich, dass ich Euch die Tage noch mal aktualisierte Bilder der Narben zeigen kann - auch wenn die Qualität nicht perfekt sein wird, da mein Foto-Studio nach wie vor renoviert wird. Meine Brust zeige ich übrigens inzwischen sehr gerne, mein Bauch könnte aber doch noch etwas flacher sein, aber um das zu erreichen schmeckt das Essen zu gut und das Fitness-Studio sieht mich nicht oft genug. ;-)

Ich freue mich nach wie vor, dass so viele von Euch mein Geschreibsel ertragen haben und ich auch wirklich regelmäßig Feedback bekomme, was auch meine Sicht auf die Dinge und die Qualität mancher Klinik beeinflusst hat. Mehr Infos, breitere Informationen führen natürlilch auch dazu, dass man die Schattenseiten auch der Klinik, in der man selbst operiert wurde, kennt.

Dennoch überwiegen meiner Meinung nach die Gründe für eine OP, wenn man auch körperlich durch ein Trichterbrust beeinträchtigt ist und ich bereue meine OP auf keinen Fall.

Operiert am 8.2.2010 in Berlin Buch nach Nuss

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T-T-T

Nach und nach beschäftige ich mich wieder mehr mit dem Thema Trichterbrust und in welcher Klinik ich am Besten das Metall in meinem Körper abgeben soll.

Um ehrlich zu sein, würde ich ganz darauf verzichten, den Bügel wieder rausoperieren zu lassen, wenn es denn sinnvoll wäre. Außer nach am PC durchgezockten Nächten spüre ich den Bügel nicht in unangenehmer Weise, er drückt bei mir auch nicht auf Nerven, die Narben sind bereit richtig gut verheilt und von Freunden Cyborg genannt zu werden ist nun wahrlich keine Beleidigung. Dummerweise ist es aber wohl nicht sinnvoll dauerhaft ein Implantat in sich zu halten.

Bei meinen Ãœberlegungen zu Wahl der Klinik spielen aktuell vor allem die Punkte Krankenhaushygiene & Infektionsgefahr, Kompetenz der Ã,,rzte und mit deutlichen Abstand Freundlichkeit und Komfort des Krankenhauses die maßgebliche Rolle. Aber vor allem der erste Punkt macht mir zu schaffen. Denn was bringt eine gelungene OP, wenn man als Bonus einen multiresistenten Keim mit nach Hause nimmt?
Operiert am 8.2.2010 in Berlin Buch nach Nuss

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tbblabla

Was spricht denn gegen dieselbe Klinik wie bei der ersten OP?

Ich muss die Entscheidung später auch noch fällen.

MistTB

Ich war ja auch in Berlin-Buch u. bisher war ich seit dem Kindesalter nur bei anderen zu Besuch im KH.  Für meinen ersten eigenen KH-Aufenthalt seitdem fand ich's ok (bin nur normaler Kassenpatient) u. würde auch zur Entnahme dorthin gehen.

Seh es aber ähnlich, hätte auch kein Problem die Bügel lange zu behalten, meine OP war Juli 2010 u. gerade in den letzten Monaten merk ich die 2 Bügel kaum noch.  Hauptsächlich beim Schlafen/Drehen.

Ich will sie aber ca. 3 Jahre behalten, also hat noch Zeit..
Als ich operiert wurde hatte ich jmd. kennengelernt, der gerade zur Entnahme nach 7 Jahren! da war.






annaj

#23
Zitat von: T-T-T am 24. September 2010, 00:20:23
Hi MistTB,

das ist jetzt zwar offtopic, aber trotzdem: die Bandage wird Dir aktuell nichts mehr bringen. Die Bandage hat zwei Hauptfunktionen. In den ersten Tagen kann sie dafür sorgen, dass die Narben einen nur kleinen Wulst bilden, also nicht so dick werden.

Wenn bei jemanden außerdem die Rippen angebrochen oder gebrochen wurden und das ist bei den meisten in Berlin behandelten aus ästhetischen Gründen der Fall, sorgt der Druck der Bandage dafür, dass die Knochen so zusammenwachsen, dass sie nicht mehr so weit hervorstehen. Sorry, für dieses Satzmonster!

Das heisst in Berlin-Buch bei prof. Schaarschmidt, dr. Lützenberg in der Charité, auch Berlin, meidet diese arbeitsweise. Die klassische Nuss-metode bedeutet nur das der Pectus Bar/der bügel den brustkorb hebt, nicht das die rippen noch extra was angetan werden um "in form" zu kommen.
In die meisten fällen ist das durchtrennen von rippen nicht notwendig, nur bei extremfälle.
Das ist naturlich meine meinung, und das obwohl mein nuss-op nicht "normal" war, sondern rippen würde getrennt, und brustbein gelöst wegen ein sehr starken befund. Ich habe aber ein sehr tiefen, assymetrischen tb (haller 9,25) bei ein patient gesehen, der ein sehr gutes ergebnis ohne durchtrennte rippen bekommen hat (in der Charité). Es ist also möglich, ohne knorpel/rippen zu brechen.
Weiblich.
1989-2011/01 Silikonimplantat. (16 J)
2011/03 Nuss-OP (modifiziert), dr. Lützenberg, Berlin Charité. (fast 39 J)
2013/08 Stabentfernung, dr. Lützenberg, Uniklinik Magdeburg. Zusätzlich würde grossflächig Muskeln versetzt (versuch Brustrekonstruktion, Knorpel wurde abgeschliffen usw)
2014/04 Brustrekonstruktion, Silikon in beide Brüste. Kleine Korrektur 2014/09 bei dr. Lützenberg.

ex.pectus

#24
Zitat von: T-T-T am 31. Oktober 2011, 21:36:39
Bei meinen Ãœberlegungen zu Wahl der Klinik spielen aktuell vor allem die Punkte Krankenhaushygiene & Infektionsgefahr, Kompetenz der Ã,,rzte und mit deutlichen Abstand Freundlichkeit und Komfort des Krankenhauses die maßgebliche Rolle. Aber vor allem der erste Punkt macht mir zu schaffen. Denn was bringt eine gelungene OP, wenn man als Bonus einen multiresistenten Keim mit nach Hause nimmt?

Auf SWR lief gerade wieder mal ein Beitrag zum Thema Krankenhaushygiene:
"Eine Videoaufnahme entlarvt unbarmherzig jeden falschen Handgriff. Gleich zu Beginn machen viele der Auszubildenden zwei typische Fehler. Erstens: Sie desinfizieren das Stethoskop nicht. Zweitens: Nach dem Abhören des ersten Patienten greifen die Studenten zum Blutdruckmessgerät â€" und desinfizieren sich erst danach die Hände. Mit vermeintlich sauberen Händen beginnen sie mit der Untersuchung des zweiten Patienten. Tatsächlich aber sind die Bakterien vom Stethoskop nun auch auf dem Blutdruckmessgerät und landen so beim Bettnachbarn. Im Alltag bleiben solche Fehler unsichtbar."


Da wird so getan, als ob das irgendwie Anfänger-Fehler von Auszubildenden wären. Die Realität sieht ja wohl anders aus.

Und was mir in dem Zusammenhang speziell zum Helios-Krankenhaus einfällt:

Die Schmerzmittelpumpe ist in so einem extra Beutel, an dem sich ein Riemen befindet, damit man den Beutel über die Schulter/den Hals hängen lassen kann. Dieser Beutel machte bei mir einen ziemlich versifften Eindruck. Ich habe auch gefragt, wieso der Beutel nicht neu aussieht, denn der wird ja wohl nicht gebraucht sein. Daraufhin meinte die Anästhesieschwester, dass der natürlich mehrfach verwendet wird. Und als bei mir von Schmerzmittelpumpe auf nur Tabletten umgestellt wurde, hat die Anästhesie-Schwester den Beutel dann mit dem Händedesinfektionsmittel benetzt und damit dann "desinfiziert". Wir haben darüber gesprochen. Sie meinte, jetzt ist der desinfiziert und kann wieder verwendet werden.

Ich weiß jetzt nicht mehr genau, welches Produkt dort genau in jedem Zimmer verwendet wurde, aber vermutlich taugt es nicht zur ausreichenden Desinfektion der Schmerzmittelpumpenbeutel. Für BODE Sterillium kann man sich die entsprechenden Einwirkzeiten mal im Produktdatenblatt ansehen, um eine ungefähre Vorstellung zu bekommen. Mit ein bißchen "Bespritzen" ist es meiner Meinung nach nicht getan. Denn wenn ich mich richtig erinnere, hatte der Beutel keine glatte Kunststoffoberfläche, sondern die Oberfläche war gewebeartig strukturiert.

Eigentlich wollte ich mich schon damals beim Krankenhaushygieniker des Helios Berlin-Buch erkundigen, was der dazu sagt. Bin dann aber doch davon abgekommen. Vielleicht hole ich das noch nach. (Update: Habe inzwischen dort per Email nachgefragt.)

Welche Erfahrungen habt ihr denn so mit eurem Schmerzmittelpumpen-Beutel gemacht?
Trichter-/Kielbrust Nuss-OP 22.10.2010 (43 J, m, 185 cm, 71,5 kg, Berlin-Buch Prof. Schaarschmidt)
2. OP=Bügelentfernung 20.11.2013 (Magdeburg, Dr. Lützenberg)
meine Trichterbrust-OP-Seite

T-T-T

Ich bin wirklich glücklich, dass es ex.pectus gibt. Kaum ein anderer Betroffener geht so kritisch und detailversessen mit der Thematik um und trifft in seinen Beiträgen so oft genau den springenden Punkt.

Jeder sollte sich hier bewußt sein, dass es der blanke Horror ist, wenn man sich im Rahme einer Trichterbrust-OP einen multiresistenten Keim einfängt und der sich munter in der Nähe von Lunge, Herz und Rippe ausbreiten kann. Egal ob das beim Einsetzen oder Entnehmen des Bügels passiert, ist das eine persönliche Katastrophe.

Der von ex.pectus zitierte Artikel ist hier wirklich lesenwert. Gerade kam das Thema auch noch mal bei Beckmann in der ARD auf und wird dort in der Mediathek ab morgen verfügbar sein. Absolut informativ und sehenswert. Ich werde in meinen Blog leider aus Zeitgründen erst in den nächsten Tagen detailierter auf die Problematik und wie man sich selbst davor besser schützen kann eingehen.

Ich habe auch noch Bilder von mir mit dem besagten Schmerzmittelbeutel und werde das Bild einfach im Blog auch mal hochladen, damit man auch ihr euch das Teil mal besser vorstellen könnt. Ob und wie versifft der Beutel war, kann ich ganz und gar nicht beurteilen. Ich hatte die MRSA bzw. Krankenhauskeimproblematik damals noch ganz anderes eingeschätzt bzw. gnadenlos unterschätzt. Aus heutiger Sicht bin ich damit zu leichtsinnig umgegangen.

Auch die Frage, warum ich einige Zeit nach meiner OP für etliche Monate eine Rötung auf meiner Brust hatte, ließe sich mit verunreinigten Nähten oder einem nicht keimfreien Implantat durchaus plausibel erklären.

Ich gehe jedoch mit Sicherheit davon aus, dass unser Forum und unser Patientenblogs auch von Ã,,rzten gelesen werden und alleine unsere Diskussionen darüber können dort schon ein erhöhtes Problembewußtsein schaffen. Auch wenn ihr bei der Eingangsuntersuchung bereits gezielt nach der Krankenhaushygiene und einen Screening auf multiresistente Keime fragt, kann dies nicht schaden.

Übrigens, in beiden Berichten macht die Uniklinik Münster, die auch Trichterbrust-OPs anbietet, deutlich, dass es dort diesbezüglich in den letzten Jahren enorme Fortschritte gab. Aktuell stehe ich auch mit einer Betroffenen in Kontakt, die erwägt sich dort operieren zu lassen.
Operiert am 8.2.2010 in Berlin Buch nach Nuss

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T-T-T

ZitatDie Schmerzmittelpumpe ist in so einem extra Beutel, an dem sich ein Riemen befindet, damit man den Beutel über die Schulter/den Hals hängen lassen kann. Dieser Beutel machte bei mir einen ziemlich versifften Eindruck. Ich habe auch gefragt, wieso der Beutel nicht neu aussieht, denn der wird ja wohl nicht gebraucht sein. Daraufhin meinte die Anästhesieschwester, dass der natürlich mehrfach verwendet wird. Und als bei mir von Schmerzmittelpumpe auf nur Tabletten umgestellt wurde, hat die Anästhesie-Schwester den Beutel dann mit dem Händedesinfektionsmittel benetzt und damit dann "desinfiziert". Wir haben darüber gesprochen. Sie meinte, jetzt ist der desinfiziert und kann wieder verwendet werden.

So, das Bild mit besagtem Beutel ist online und zeigt mich kurz nach meiner OP, das Lächeln war noch etwas gezwungen ;):
http://trichterbrust.blog.de/2011/11/25/schmerzmittelbeutel-keimtraeger-12216304/
Operiert am 8.2.2010 in Berlin Buch nach Nuss

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ex.pectus

#27
Zitat von: T-T-T am 25. November 2011, 00:40:10
Gerade kam das Thema auch noch mal bei Beckmann in der ARD auf und wird dort in der Mediathek ab morgen verfügbar sein.

Also ich bin kein Fan von Beckmann.

Bei der Gesprächsrunde (Video in der Mediathek) gibt zum Ende hin (bei der Mediathek-Version nach 58 min) einer der Gäste (der Anwalt) den Tipp, man soll den Operateur im Vorgespräch vor einer geplanten Operation fragen, wie es mit der Hygienesituation aussieht, ob es Probleme gibt und ihm dabei fest in die Augen schauen. Man soll sich dann auf seinen gesunden Menschenverstand verlassen, was die Reaktion des Arztes angeht. Ein anderer Gast (die Patientin, die selber Ã,,rztin ist) verbessert:

Gast: man sollte lieber den Anästhesist fragen
Beckmann: W a  r u m? Der weiß mehr?
Gast: Naja. Der guckt die ganze Zeit zu.
Beckmann: Der hat Zeit, die ganze Zeit hinzugucken.
Gast: Das ist so, ja.

Sorry, aber das ist doch Murks. Dass man lieber nicht bzw. nicht nur den Operateur fragen soll, liegt doch letztlich nicht daran, dass der Operateur keine Zeit hat hinzuschauen. Es ist doch wohl viel naheliegender, dass der Gast den Einwand gebracht hat, weil der Anästhesist im Idealfall die Rolle eines unbeteiligten/unparteiischen/nicht betroffenen Beobachters einnimmt. Auf ihn treffen zwei Eigenschaften zu: er beobachtet und er ist nicht derjenige, der möglicherweise selber die Keime in das OP-Gebiet einbringt. Er ist, im Gegensatz zum Operateur, auch nicht für die hygienischen Zustände (mit-)verantwortlich.

Dass der Anästhesist um die hygienischen Zustände weiß, unterscheidet ihn aber nicht von den anderen Beteiligten bei der OP. Es ist davon auszugehen, dass alle davon wissen. Worin sich der Anasthesist vom Operateur unterscheidet ist, dass beim Anästhesisten einfach die Wahrscheinlichkeit größer ist, dass er zu den hygienischen Zuständen einen kritischen Abstand hat und einem davon - vielleicht auch nur indirekt/andeutungsweise - erzählt.

Dem Gast kann man sicher keinen Vorwurf machen, dass er die falschen Fragen von Beckmann richtig beantwortet hat.

(Ergänzend für diejenigen, die noch keine Erfahrung mit OP-Vorbereitungen hatten: Nur ein Anästhesist bietet sich zum Fragen - im Gegensatz zu den anderen OP-Beteiligten - noch an, weil nur mit dem Anästheisten vor der OP auch ein Aufklärungsgepräch stattfindet, wegen der Narkose.)

Nochmal: ein "Mangel an Zeit hinzugucken" ist meiner Meinung völlig irrelevant für das Wissen oder Nichtwissen über die hygienischen Zustände.

Nächster Punkt.

Bei ca. 57:30 min:

Beckmann: Wie kann man sich als Patient schützen, wenn es das Gesetz schon nicht macht?
Hygienefachschwester: Das ist schwer... Ich selber war auch Patientin, habe dem Chefarzt einmal die Desinfektionsflasche hingehalten - brauche ich nicht, zeigen sie mal schnell her - ich habe es mir kein zweites Mal getraut.

D.h. selbst die Hygienefachschwester ist als Patientin selber in eine Situation geraten, in der der sie behandelnde Chefarzt sich nicht die Hände desinfiziert hat. Und zwar obwohl sie ihn darauf hingewiesen hat. Und die Hygienefachschwester hat es geschehen lassen. Die Hygienefachschwester hat es als Patientin selber toleriert, dass ihr behandelnder Arzt die Regeln zur Händedesinfektion mißachtet.

Da frage ich mich doch, wieso toleriert sie das?

Wenn man einen Chefarzt auf frischer Tat dabei erwischen würde, wie er Geld aus den Patientensachen klaut, würde man das ja wohl auch nicht tolerieren. Man wäre vielleicht sprachlos und man würde sich dreimal fragen, ob man seinen Augen trauen darf, aber man würde es sicher nicht tolerieren. Offenbar wird die Nichteinhaltung von Hygienestandards als nicht so schlimm angesehen, selbst vom Hygienefachpersonal. Da sollte man sich dann auch nicht wundern, wenn die Nichteinhaltung vom Nicht-Hygienefachpersonal als noch viel weniger schlimm angesehen wird.

Was ich bei der ganzen Diskussion vermisse, ist eine klare, verständliche, nachvollziehbare und vor allem konkretere Wahrscheinlichkeits- und Risikobewertung.

D.h., dass man darüber informiert, wie man es in Hygienedingen besser und noch besser machen kann, ist ja sicher auch ganz nützlich. Aber als wie schlimm ist es eigentlich zu bewerten, wenn bestimmte Hygienemaßnahmen eben nicht eingehalten werden.

Dass Hygienemaßnahmen nicht eingehalten werden, liegt meines Erachtens nicht so sehr daran, dass das Wissen fehlt, dass MRSA-Keime übertragen werden könnten, oder dass Keime schwerwiegende Komplikationen verurachen könnten. Es liegt wohl viel mehr daran, dass die Wahrscheinlichkeit dafür, dass dies tatsächlich geschieht, als sehr bzw. zu gering eingeschätzt wird.


Und zurück zum Helios Krankenhaus:
Da gibt es noch einen Punkt, der mir damals "komisch" vorkam. Und zwar die Sache mit den Trinkflaschen. Dort gab es nicht normale, handelsübliche Mineralwasserflaschen, die man einmal verwendet, sondern nachfüllbare, und zwar vom Patienten selbst nachzufüllende Flaschen. Unter ökologischen Gesichtspunkten eigentlich eine tolle Sache. Unter hygienischen Gesichtspunkten gibt es da aber ein paar Probleme: Je länger so eine Flasche benutzt, desto mehr Keime sammeln sich auf der Flaschenoberfläsche. Solange ich bettlägerig war, wurde die Flasche von der Schwester aufgefüllt, manchmal zusammen mit der Flasche vom Zimmernachbarn. Dabei keinen hygienetechnischen GAU anzustellen, stelle ich mir schwierig vor. Und auch wenn man später seine Flasche selber auffüllt, ist es hygienetechnisch suboptimal, wenn man netterweise die Flasche seines Zimmernachbarn mit zum Auffüllen nimmt.
Trichter-/Kielbrust Nuss-OP 22.10.2010 (43 J, m, 185 cm, 71,5 kg, Berlin-Buch Prof. Schaarschmidt)
2. OP=Bügelentfernung 20.11.2013 (Magdeburg, Dr. Lützenberg)
meine Trichterbrust-OP-Seite

ex.pectus

#28
noch ein Programmhinweis:

29.11.11 01:00 Uhr 3sat Keim außer Kontrolle, Wenn das Krankenhaus krank macht, Film von Valentin Thurn und Frank Bowinkelmann (auch in der ZDF-Mediathek)

Was ich nicht verstehe:
Einerseits werden maximale Forderungen aufgestellt: Händesinfektion des Krankenhauspersonals vor und nach jedem Patienten-Kontakt.
Andererseits sind Patienten in der Regel in einem Zwei- bzw. Mehrbett-Zimmer untergebracht und berühren/benutzen das gleiche Inventar. Zur Vermeidung der naheliegenden Infektionsmöglichkeiten zwischen den Patienten untereinander kein Wort.
Trichter-/Kielbrust Nuss-OP 22.10.2010 (43 J, m, 185 cm, 71,5 kg, Berlin-Buch Prof. Schaarschmidt)
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ex.pectus

Zitat von: ex.pectus am 24. November 2011, 22:41:21
Eigentlich wollte ich mich schon damals beim Krankenhaushygieniker des Helios Berlin-Buch erkundigen, was der dazu sagt. Bin dann aber doch davon abgekommen. Vielleicht hole ich das noch nach. (Update: Habe inzwischen dort per Email nachgefragt.)

Er hat mir vor ein paar Tagen folgendes geantwortet:

- Die Taschen werden nach jedem Patienten (patientenbezogener Einsatz durchschnittlich 3-4 Tage) komplett mit Gurt in ein Desinfektionsmittel eingelegt, anschließend getrocknet und erst dann wieder an einen neuen Patienten ausgegeben und somit besteht keine Kontamination der so aufbereiteten Tasche.

- Ã,,lteren Taschen, die bereits mehrmalig aufbereitet wurden, können allerdings hin und wieder eine abgelöste Beschichtung auf der Innenseite und eine gelbliche Verfärbung aufweisen. Da die Innenseite ebenfalls desinfiziert wird, besteht auch hier keine mikrobielle Kontamination. Das ist zwar unansehnlich, aber nicht infektionsrelevant. Die Station wurde gebeten, die Taschen auszusortieren.

- Das von mir geschilderte Verfahren einer Desinfektion mit dem Händedesinfektionsmittel war nicht einwandfrei. Das Pflegepersonal wird nochmals über die richtige Handhabung durch die Hygienefachschwester informiert.
Trichter-/Kielbrust Nuss-OP 22.10.2010 (43 J, m, 185 cm, 71,5 kg, Berlin-Buch Prof. Schaarschmidt)
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