Ãœberlegungen zur Notwendigkeit einer TB-Operation

Begonnen von ex.pectus, 08. März 2014, 14:20:17

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ex.pectus

Folgendes Zitat ist aus einem anderen Zusammenhang von vor ein paar Tagen hier im Forum. Ich denke, dass es sich lohnt, darüber mal genauer nachzudenken.

ZitatSelbstverständlich ist es oberste Pflicht jedes einzelnen Betroffenen, solch einen Eingriff genau zu prüfen, und dessen Notwendigkeit von ärztlicher Seite abklären zu lassen.

Klingt auf den ersten Blick einleuchtend. Und ist sicher auch richtig.

Andererseits, als extreme Gegenansicht: es gibt keine Pflicht zum Leben, sondern sogar ein Recht sein Leben selbst zu beenden (abgesehen von Religionen, in denen das verboten ist).

Oder etwas kleiner, praktischer:
Gibt es eine Pflicht für Patienten vor der Einnahme eines Medikaments einen Beipackzettel genau püfen? Das bleibt doch jedem Patienten selbst überlassen. Egal ob es um vermeintlich harmlose Medikamente geht oder solche mit auch gravierenden bis tödlichen Nebenwirkungen.
Oder wenn jemand eine schwerwiegende oder lebensgefährliche Erkrankung hat: gibt es dann Pflichten, insbesondere "Prüfpflichten", die Sache von ärztlicher Seite "abklären" zu lassen?

Was wäre denn überhaupt der Sinn bzw. Grund einer solchen Prüfpflicht? Da fällt mir eigentlich nur der Grund der "Vernunft" ein. Gibt es noch einen anderen?

Menschen müssen sich aber nicht (immer) vernünftig verhalten oder vernünftig handeln und tun es auch nicht.

Man denke nur an gefährliche Hobbys, schnelle Autos, Drogen/Genussmittel usw. usf. Vieles davon ist nicht nur gesellschaftliche Realität, sondern zum Teil voll bzw. ganz mehrheitlich akzeptiert.

Oder man denke an Schönheits-OPs. siehe dazu meinen Hinweis auf Nasen-OPs/Schönheitsideale bei Jugendlichen hier im Forum http://www.trichterbrustforum.de/index.php/topic,1594.0.html Der dort genannte Link zur HP und zum Video funktioniert immer noch und ist meiner Meinung nach sehenswert. So ein Wunsch nach einer OP hat nicht viel mit Notwendigkeit zu tun. Mit ärztlicher Notwendigkeit defintionsgemäß sowieso nicht, weil es sich um Schönheits-OPs handelt. Aber auch mit einer irgendwie gearteteten allgemeinen oder objektiven Notwendigkeit nicht.

Und (manche) TB-OPs sind ja auch - zum Teil jedenfalls - Schönheits-OPs.

...
Trichter-/Kielbrust Nuss-OP 22.10.2010 (43 J, m, 185 cm, 71,5 kg, Berlin-Buch Prof. Schaarschmidt)
2. OP=Bügelentfernung 20.11.2013 (Magdeburg, Dr. Lützenberg)
meine Trichterbrust-OP-Seite

annaj

ich werde im april eine reine schönheitsop machen (obwohl es heisst ja brustrekonstruktion, aber medicinisch notwendig ist es lange nicht), das eine brust ist seit meinem alten silikonimplantat (wegen tb) verschoben, anders im form und kleiner.
Für mich war es keine einfache entscheidung, nicht wegen die Gefahr eine op zu unterziehen, sondern überhaupt: will ich mit silikon (wieder) leben? Und die tatsache das es mir überhaupt verdammt gut geht, ich liebe mich...  ;)

Letztendlich, was mir dann doch zu einer schönheitsop gebracht hat, war die Tatsache das ich öfters daran gedacht habe, da die Asymmetrie mit Kleidung auch sichtbar ist. Ich freue mich jetzt riesig das ich mich doch für silikon entschieden habe, und es wird bestimmt ganz schön. Aber frag mal dr. Lützenberg was es für ein kampf es war...

Ich habe viel in einem schönheitsforum gelesen, um sachen zu lernen, ev. fehler zu erkennen und zu meiden, brustgrösse zu entscheiden usw... und feststellen müssen das ich grosse vorurteile hatte gegen frauen die ihre brüste vergrössern lassen, wer das macht, und wie die sind. Die kliniken zeigen eigentlich nur schöne brüste als vorherbilder, naja, und die nachherbilder sehen dann nicht so schön aus meiner meinung nach. Im Wirklichkeit sieht es aber anders aus. Viele haben null brüste, und wollen endlich ein bisschen haben. Viele sind jung, habe ein paar schwangerschaften schon hinter sich und zwei lehre Lappen als brüste hängen... ein paar trichterbrüste habe ich auch entdecken können, manche haben starke Asymmetrien, oder haben ihr brust wegen krebs verloren... dann gibt es naturlich ein paar Tussis, und erreichen uns in den medien... und breiten sich als schönheitswahnsinnegen in unsere Bewusstseins aus. Lange rede... am ende habe ich viel mehr verständis entwicklt für menschen die einfach davon träumen normal auszusehen.

Op's ist ein Risiko, vor allem tb-op's. Wenn man gesundheitlich darunter leidet, oder psychisch, sollte man ein op überlegen. Kleine trichtern die in das "normalspektrum" sind, finde ich sollte nicht operiert werden, sondern da kann man an das selbstvertrauen arbeiten. Sowieso.

Um risiken zu mindern, sollte man auf seine gesundheit achten (vor und nach der op), positiv bleiben und kämpfen.

Wenn ich immer angst hätte, es könnte mir was passieren, dann lade ich es ein. Ich kann nicht alles in mein leben steuern und entscheiden, und ich weiss nicht was mit mir in der Zukunft passieren wird. Vielleicht werde ich von einer herrunterfallende Blumentopf auf dem weg zur arbeit erwischt... ich versuche mich so gut es geht mich zu schützen, aber es gibt ja grenzen.... Ich kann aber so gut es geht um mich selbst kümmern, mich gut pflegen, positiv bleiben und hoffen das ich mindestens gesund 100 jahre alt werde... und dabei verdammt gut aussehen werde ;)
Weiblich.
1989-2011/01 Silikonimplantat. (16 J)
2011/03 Nuss-OP (modifiziert), dr. Lützenberg, Berlin Charité. (fast 39 J)
2013/08 Stabentfernung, dr. Lützenberg, Uniklinik Magdeburg. Zusätzlich würde grossflächig Muskeln versetzt (versuch Brustrekonstruktion, Knorpel wurde abgeschliffen usw)
2014/04 Brustrekonstruktion, Silikon in beide Brüste. Kleine Korrektur 2014/09 bei dr. Lützenberg.

ex.pectus

#2
Ich möchte den Thread nochmal wiederbeleben:

Es ist nicht einfach zu erklären, was ich eigentlich sagen will. Zur Einstimmung passt vielleicht ein Zitat aus einer 3sat-Fernsehsendung von vor ein paar Tagen (nach Sigmund Freud): Bei unwichtigen Entscheidungen könne man durchaus alle Pros und Contras erörtern, doch in wichtigen Lebensfragen müsse die Entscheidung aus dem Unbewussten kommen.

Ich kann mich noch ziemlich genau daran erinnern, wie ich zu meiner Entscheidung, mich operieren zu lassen, gekommen bin. Das war eine spontane Entscheidung. Und letztlich auch mehr oder weniger irrational. Ich habe irgendwo gelesen, dass man auch mit über 40 Jahren noch operiert werden kann. Da war die Sache für mich klar: wenn das geht, dann mache ich das. Die konkrete Umsetzung war dann schon wieder deutlich rationaler: ich war bei mehreren Ã,,rzten, um mich beraten zu lassen und die eigentlich bereits getroffene Entscheidung nochmal gegenzuchecken und bestmöglich umzusetzen. Im August 2010 hatte ich erstmals davon gehört, im Oktober 2010 war die OP. In den 8 Wochen dazwischen das volle Programm: Erst-, Zweit-, Dritt- und Viertmeinung, MRT, Lungendiagnostik, Leistungsdiagnostik auf dem Laufband usw. usf.


Nach all meinen Erfahrungen aus und zum Medizinbetrieb, nicht nur im Zusammenhang mit TB-OPs, glaube ich folgendes:

Es ist ein Trugschluss zu glauben, man könne die Notwendigkeit einer TB-OP von ärztlicher Seite abklären lassen!


Man kann und sollte es vielleicht versuchen, so viele Informationen zur medizinischen Notwendigkeit einzusammeln, wenn man das will und für sich braucht, aber es ist doch mehr als fraglich, ob man damit letztlich "bessere" Entscheidungen treffen wird. (Und was bedeutet dann "besser"?) Was die KK bzw. der MDK brauchen, steht nochmal auf einem anderen Blatt.

Es fängt schon damit an, dass der Begriff der "medizinischen Notwendigkeit" in vielen unterschiedlichen Bedeutungen verwendet wird, absichtlich und unabsichtlich. Bei Diskussionen mit dem Begriff der medizinischen Notwendigkeit kann man sich als Patient nie sicher sein, was der Arzt damit eigentlich genau meint oder sagen will.

annaj meint im vorigen Beitrag sie hätte sich für eine "Schonheitsop" entschieden, die medizinisch nicht notwendig gewesen wäre. Das stimmt sicher auch (im "Laiensinne" oder umgangssprachlichen Sinne), aber genaugenommen lief ihre "Schönheitsop" offiziell sicherlich als "medzinisch notwendige" OP, im Gegensatz zu einer medizinisch nicht indizierten ästhetischen Operation, die man selber zahlen müsste. Dass annaj ihre Brustrekonstruktion als "noch lange nicht medizinisch notwendig" bezeichnet, der "Medizinbetrieb" das aber sehr wohl so sieht und macht, ist völlig normal und vom Gesetz her so vorgesehen.

Man, d.h. sowohl Patient als auch der Arzt, sollten möglichst auf die Verwendung des Begriffes der "medizinisch Notwendigkeit" verzichten, sondern Klartext reden. Das ist aber auch nur eine notwendige, keine hinreichende Voraussetzung um die "Notwendigkeit" einer TB-OP abzuklären.

Denn das Problem liegt ja nicht nur darin, objektiv festzustellen, dass es einem Patienten mit TB tatsächlich "schlecht" geht bzw. in Zukunft schlechter gehen wird, sondern die viel wichtigere und noch schwieriger zu beantwortende Frage ist ja, ob es ihm durch die OP höchstwahrscheinlich besser gehen wird.
Trichter-/Kielbrust Nuss-OP 22.10.2010 (43 J, m, 185 cm, 71,5 kg, Berlin-Buch Prof. Schaarschmidt)
2. OP=Bügelentfernung 20.11.2013 (Magdeburg, Dr. Lützenberg)
meine Trichterbrust-OP-Seite

annaj

rekonstruktiv chirurgie ist nie oder wenigstens selten medizinisch notwendig, wenn man jetzt "not" im wort den schwerpunkt gibt.... erhöht sicher den lebensqualität vielen Patienten, egal ob bauchstraffung bei grossen Gewichtsverlust, brustrekonstruktion oder manchmal tb/kb... Ich denke kaum das der begriff "medizinisch notwendig" verwendet wird, sondern es ist längst akzeptiert das auch das äussere zum Gesundheitsleistung im system gehört. Nur scheinen sie nicht ganz einverstanden.

Angeblich ist es wichtig, das brüste eine gewisse standard hält... manche haben probleme ihr tb-op genemigt zu bekommen, obwohl es zu physische Probleme führen könnte, bzw die schon vorhandene probleme werden nicht ernst genommen. (Muss nicht an das tb liegen, aber manches spricht dafür).

Wenn man schon mit fester Ãœberzeugung in die sache reingeht und sich operieren lassen möchtet, finde ich es wichtig das man vorher gut recherchiert, wie du gemacht hast. Meinst du deine Recherche waren vergeblich? Hättest du dich heute anders entschieden? Ich nicht. Ich war nur doof und stur vor einem Jahr beim bügelentnahme, da ich  dachte es wäre möglich Gewebe zu versetzen und damit ein ok ergebnis zu erzielen. Ich hätte gleich Silikon nehmen sollen war aber sehr dagegen... wie du vielleicht auch beschrieben hast, ich war in meiner überzeugung blind geworden, meine feste entscheidung stand im weg... am ende ist alles gut geworden (klopf auf holz, es sieht wenigstens jeztz so aus..).
Weiblich.
1989-2011/01 Silikonimplantat. (16 J)
2011/03 Nuss-OP (modifiziert), dr. Lützenberg, Berlin Charité. (fast 39 J)
2013/08 Stabentfernung, dr. Lützenberg, Uniklinik Magdeburg. Zusätzlich würde grossflächig Muskeln versetzt (versuch Brustrekonstruktion, Knorpel wurde abgeschliffen usw)
2014/04 Brustrekonstruktion, Silikon in beide Brüste. Kleine Korrektur 2014/09 bei dr. Lützenberg.

ex.pectus

#4
Zitat von: annaj am 12. Oktober 2014, 21:39:30
Ich denke kaum das der begriff "medizinisch notwendig" verwendet wird

Sollte man vielleicht meinen. Aber:

Der Begriff der medizinischen Notwendigkeit durchzieht alle Bereiche der medizinischen Behandlung, soweit diese auf Kosten der GKV oder PKV erfolgt. Das ist so drin, sowohl im System also auch im Denken, Sprechen und Handeln der Beteiligten Personen (Ã,,rzte).

Hier ist bspw. der alles entscheidende Einweisungsschein (Verordnung zur Krankenhausbehandlung). Ich habe es extra grün unterstrichen: Nur bei medizinischer Notwendigkeit zulässig. Davon gibt es keine Ausnahme. Und das gilt auch nicht nur für stationäre Behandlungen, sondern auch für ambulante.



Das muss man sich bitte mal bis zum Ende komplett durchdenken, wenn jemand meint, er könne mit einem Arzt abseits von diesen gesetzlichen und üblichen/eingefleischten Vorgaben über die "medizinische Notwendigkeit" sprechen. Ich will nicht sagen, dass es komplett ausgeschlossen ist, mit einem Arzt ganz offen darüber zu sprechen. Aber man kann nicht erwarten, dass er bspw. sagt, eigentlich ist es nicht notwendig, wir verkaufen es nur der KK als medizinisch notwendig.

Zitat von: annaj am 12. Oktober 2014, 21:39:30
Meinst du deine Recherche waren vergeblich?

Nein, auf keinen Fall.

Zitat von: annaj am 12. Oktober 2014, 21:39:30
Hättest du dich heute anders entschieden?

Schwierig. Wahrscheinlich würde ich vorher noch andere Dinge ausprobieren.
Trichter-/Kielbrust Nuss-OP 22.10.2010 (43 J, m, 185 cm, 71,5 kg, Berlin-Buch Prof. Schaarschmidt)
2. OP=Bügelentfernung 20.11.2013 (Magdeburg, Dr. Lützenberg)
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