Selbstexperiment: Manuelle Therapie der Trichterbrust

Begonnen von Thomas_S, 15. Oktober 2014, 10:51:55

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Thomas_S

Hallo liebe Mitbetroffene,

ich habe eine ausgeprägte Trichterbrust und schon viele Patienten mit Trichterbrust behandelt (Sporttherapeut- "behandelt" hinsichtlich Haltungskorrektur, Atemvolumen, Muskelaufbau etc). Bisher war Stand der Dinge, dass man mit manuellen Techniken lediglich das Erscheinungsbild des Trichters (Schultern nach hinten, Rundrücken ausgleichen, Rippenbögen durch Bauchspannung kaschieren ...), sowie Atemvolumen und Belastung der Bandscheiben verbessern kann. Nun stolperte ich vor einigen Monaten über die ersten erfolgversprechenden Techniken zur Veränderung der Trichtertiefe über die Beeinflussung der "das Sternum nach außen ziehenden Muskulatur". Humbug oder ist was dran?

Ich möchte dem Projekt eine Chance geben und die Techniken drei Monate lang probieren. Die Verbesserungen (oder eben nicht) möchte ich gern bei Youtube festhalten. Vielleicht nützt es mir, meinen Patienten und noch einigen anderen. Ich bin aber völlig ergebnisoffen ... Mal schauen, was passiert. Interessant wäre es natürlich neben Saugglocke und OP noch weitere Möglichkeiten zu haben. Ein Behandler sprach mir gegenüber von etwa 25% Reduzierung der Trichtertiefe in einem halben Jahr. Haltet ihr das für möglich?


Hier mal mein erstes Video. Vielleicht wollt ihr ja mit dabei sein? (Falls es gegen die Forenregeln verstößt, bitte gleich löschen!)
https://www.youtube.com/watch?v=QiHZ321AMcI&feature=youtu.be

Liebe Grüße
Thomas

ex.pectus

#1
Tolle Idee und klingt sehr interessant.

Ich habe auch gleich eine Anmerkung zu dem Youtube-Video. Dort ist davon die Rede, dass das Lungenvolumen wegen der Trichterbrust kleiner sei, bzw. dass man es durch die Behandlung vielleicht vergrößern könne.

Was meinst du mit Lungenvolumen genau?

Bei der Lungenfunktionsdiagnostik unterscheidet man ja verschiedene Lungenvolumina. Die Bezeichnung Lungenvolumen ist also keine eindeutige Bezeichnung.

Und dann gibt es ja auch noch das gesamte "Brustkorbvolumen" (nicht nur "Brustkorb-gas-volumen"). Das sich dieses gesamte Volumen beim Ausbeulen des Trichters vergrößert, liegt auf der Hand. Allerdings doch wohl nur um das entsprechende Volumen, dass für den Trichter wegfällt. Und so groß sind die Volumina der Trichter meist gar nicht, s.a. http://www.trichterbrustforum.de/index.php/topic,1152.msg9959.html#msg9959

Du könntest zum Vergleich ja auch mal deinen Trichter ausgießen, um das Volumen zu bestimmen.

Unabhängig davon, kann man aber seine Atmung auch durch Training oder Übungen verbessern, also auch, wenn man gar keinen Trichter hat.

Offenbar gibt es also mindestens 2 Effekte, die sich hier dann positiv auswirken.


Ergänzend noch zum Lungenvolumen:
Wenn bei einer Spirometrie ein Lungenvolumen von nur 80% gemessen wird, dann ist das Lungenvolumen nicht automatisch 20% kleiner als es eigentlich sein müsste. Und auch schon gar nicht wegen der Trichterbrust.

Das Lungenvolumen ist ein menschliches Größenmaß, das der sog. "Normalverteilung" unterliegt. Genau so, wie bspw. die Körpergröße auch. Man kann die Körpergröße aller Menschen messen und davon den Durchschnitt bilden. Diesen Durchschnitt (bspw. 180,2 cm bei Männern in Deutschland) definiert man dann als 100%. Wenn jemand kleiner oder größer ist, liegt er eben bei unter oder über 100%. An Hand der tatsächlichen Verteilung der gemessenen Werte (deren Standardverteilung) kann man erkennen, ob es sich bei einem individuell gemessenen Wert um einen "normalen" Wert, wie viele andere auch oder um einen Ausreißer = "unnormalen" Wert handelt.

Beim "Lungenvolumen" geht man davon aus, dass Messwerte zwischen 80% bis 120% vom Sollwert der ganz normalen Verteilung in der Bevölkerung entsprechen.
Trichter-/Kielbrust Nuss-OP 22.10.2010 (43 J, m, 185 cm, 71,5 kg, Berlin-Buch Prof. Schaarschmidt)
2. OP=Bügelentfernung 20.11.2013 (Magdeburg, Dr. Lützenberg)
meine Trichterbrust-OP-Seite

Thomas_S

#2
Vielen Dank für deinen interessanten Kommentar und deine Anregung, den Trichter auszugießen. Was kann ich dazu am besten für ein Material verwenden, hast du eine Idee?

Zum Lungenvolumen:
In den Berichten ist einmal von der Brustwandexpansion (per Maßband) die Rede. Dann vom Tidalvolumen, dem forcierten Ausatemvolumen (verschiedene Zeitspannen) und der Vitalkapazität (alles per Spirometer).

Ich kann dir leider nicht sagen, welcher Mechanismus hier eher zugrunde liegt, da tatsächlich auch mit Atemübungen gearbeitet wird. Jedoch weiß ich aus der Praxis, dass viele TBler eine abgeflachte Atmung haben und sich dies durch (Atem-)Training verbessern lässt. Hast du ähnliche Erfahrungen? Letztendlich ist der Effekt der sich (mehr) auswirkt ja auch nicht so interessant, wie das eigentliche Ergebnis. Ich bin gespannt.

Beste Grüße
Thomas

ex.pectus

#3
Zitat von: Thomas_S am 15. Oktober 2014, 12:20:57
Vielen Dank für deinen interessanten Kommentar und deine Anregung, den Trichter auszugießen. Was kann ich dazu am besten für ein Material verwenden, hast du eine Idee?

Beim Material ist es ganz einfach Wasser. Und gemessen wird einfach die Differenz im Gefäß zwischen vor dem Ausgießen und nach dem Ausgießen. Schwieriger ist da schon das Ausgießen selbst. Zum einen dass man das Volumen möglichst komplett erfasst (also so hinlegen, dass die Grenzen des Trichters eine waagerechte Ebene bilden) und dass man nichts daneben gießt. Mit einem Messkolben mit feiner Einteilung geht es am einfachsten. Andernfalls misst man das Wasser auf einer Haushaltswaage ab (1 Milliliter wiegt 1 Gramm). Wobei es letzlich ja auch nicht auf jeden Milliliter ankommt, sondern eher, dass man mal so ungefähr eine realistische Schätzung für die Größenordnung hat.
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Thomas_S

Mensch, bist du aber schnell.  ;D

Danke dir für die Idee! Werde ich heute abend gleich mal in Angriff nehmen ...

annaj

Zitat von: ex.pectus am 15. Oktober 2014, 12:35:51

Beim Material ist es ganz einfach Wasser. Und gemessen wird einfach die Differenz im Gefäß zwischen vor dem Ausgießen und nach dem Ausgießen. Schwieriger ist da schon das Ausgießen selbst. Zum einen dass man das Volumen möglichst komplett erfasst (also so hinlegen, dass die Grenzen des Trichters eine waagerechte Ebene bilden) und dass man nichts daneben gießt. Mit einem Messkolben mit feiner Einteilung geht es am einfachsten. Andernfalls misst man das Wasser auf einer Haushaltswaage ab (1 Milliliter wiegt 1 Gramm). Wobei es letzlich ja auch nicht auf jeden Milliliter ankommt, sondern eher, dass man mal so ungefähr eine realistische Schätzung für die Größenordnung hat.

Eine alternative wäre wenn man eine gewisse menge haushaltspapier abwiegt, dann das wasser damit absaugt und wieder alles wiegt. Weil gerade das wasser aus dem tb wieder in einem behälter kriegen könnte schwierig werden.
Weiblich.
1989-2011/01 Silikonimplantat. (16 J)
2011/03 Nuss-OP (modifiziert), dr. Lützenberg, Berlin Charité. (fast 39 J)
2013/08 Stabentfernung, dr. Lützenberg, Uniklinik Magdeburg. Zusätzlich würde grossflächig Muskeln versetzt (versuch Brustrekonstruktion, Knorpel wurde abgeschliffen usw)
2014/04 Brustrekonstruktion, Silikon in beide Brüste. Kleine Korrektur 2014/09 bei dr. Lützenberg.

ex.pectus

#6
Zitat von: annaj am 15. Oktober 2014, 18:50:05
Eine alternative wäre wenn man eine gewisse menge haushaltspapier abwiegt, dann das wasser damit absaugt und wieder alles wiegt. Weil gerade das wasser aus dem tb wieder in einem behälter kriegen könnte schwierig werden.

Nicht so kompliziert. Du nimmst einfach ein Gefäß mit Wasser gefüllt und wiegst es ab: bspw. insgesamt 917 g. Dann wird etwas Wasser aus dem Gefäß in den Trichter gegossen, bis der Trichter voll ist. Nichts daneben schütten. Anschließend wiegt man das Gefäß mit dem restlichen Wasser ein zweites Mal: bspw. 790 g. -> Der Trichter hat ein Volumen von 127 ml.
Haushaltspapier oder ein Handtuch ist aber trotzdem ganz gut.
Trichter-/Kielbrust Nuss-OP 22.10.2010 (43 J, m, 185 cm, 71,5 kg, Berlin-Buch Prof. Schaarschmidt)
2. OP=Bügelentfernung 20.11.2013 (Magdeburg, Dr. Lützenberg)
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annaj

Weiblich.
1989-2011/01 Silikonimplantat. (16 J)
2011/03 Nuss-OP (modifiziert), dr. Lützenberg, Berlin Charité. (fast 39 J)
2013/08 Stabentfernung, dr. Lützenberg, Uniklinik Magdeburg. Zusätzlich würde grossflächig Muskeln versetzt (versuch Brustrekonstruktion, Knorpel wurde abgeschliffen usw)
2014/04 Brustrekonstruktion, Silikon in beide Brüste. Kleine Korrektur 2014/09 bei dr. Lützenberg.

ex.pectus

#8
Zitat von: Thomas_S am 15. Oktober 2014, 12:20:57
Zum Lungenvolumen:
In den Berichten ist einmal von der Brustwandexpansion (per Maßband) die Rede.

Ich hatte im letzte Jahr auch mal wieder angefangen, meine Körpermaße per Maßband zu notieren. Und dabei habe ich mit erschrecken festgestellt, dass mein Brustumfang beim Einatmen kaum zunimmt: normal 93 cm, trotz maximaler Einatmung in den Brustkorb tut sich am Umfang so gut wie nichts. Es sind dann 94 cm, vielleicht mit beiden Augen zudrücken 95 cm. Und genau so fühlt es sich eigentlich auch an: ein insgesamt starrer Brustkorb, so als ob der Bügel immer noch drin wäre.
Ob das vor der OP von den Werten her auch schon so war, kann ich nicht sagen, da ich meine alten Aufzeichnungen (noch) nicht gefunden habe.

Um wieviel sollte man denn so den Brustumfang beim Einatmen vergrößern können?

Zitat von: Thomas_S am 15. Oktober 2014, 12:20:57
Ich kann dir leider nicht sagen, welcher Mechanismus hier eher zugrunde liegt, da tatsächlich auch mit Atemübungen gearbeitet wird. Jedoch weiß ich aus der Praxis, dass viele TBler eine abgeflachte Atmung haben und sich dies durch (Atem-)Training verbessern lässt. Hast du ähnliche Erfahrungen?

Vermutlich haben nicht nur TB-ler eine verbesserungswürdige Atmung. Und dass man die verbessern kann, glaube ich sofort.

Ob sich meine Atmung durch die OP verbessert hat, kann ich nicht sagen. Meine Leistungsfähigkeit hat sich jedenfalls verbessert, was aber auf jeden Fall auch am Training liegt.

Mein Atemgefühl hat sich dagegen auf jeden Fall zum Teil verschlechtert, nämlich durch dieses Gefühl, dass der Bügel immer noch drin ist und die Atembewegungen limitiert, erschwert bzw. "spürbar" macht. Es ist nicht so, dass mich das tagtäglich belasten würde. Ich habe mich damit abgefunden und mache das beste daraus. Aber es wäre falsch, dies nicht als fetten Minuspunkt zu erwähnen. Denn ohne dieses "eingepanzerte" Gefühl wäre es noch viel besser. Und ich kann mir auch gut vorstellen, dass andere nicht so gut damit klar kommen würden. Das ist also schon ein Nachteil, den man unter Umständen bei einer OP in Kauf nehmen müßte.


Und übrigens noch zu dem Youtube-Video:
- Das Video ist super, aber was hast du mit dem Ton (bis zu den Bildeinblendungen) gemacht?
- die gemessene Trichtertiefe von 2,8 cm hört sich nach nicht so viel an, jedenfalls im Vergleich zu den hier im Forum genannten Werten von 7, 8 oder 9 cm; letztere sind aber nach einer ganz anderen Methode in Berlin-Buch gemessen und somit nicht direkt vergleichbar
- deine Befürchtung, dass durch größere Brustmuskeln die Einziehung durch den Trichter von der Seite noch größer wirkt (bei ca. 7:10 min) kann ich überhaupt nicht nachvollziehen, und zwar zum einen, dass die Einziehung dadurch tatsächlich größer wird, und zum anderen, dass dies im Fitness-Studio und dergleichen irgendwie wahrgenommen werden würde (beim direkten Posen könnte man es natürlich deutlicher sehen, wenn es denn deutlicher werden würde); hast du zu diesem Effekt vielleicht ein Bildvergleich vorher-nachher?

Zitat von: ex.pectus am 15. Oktober 2014, 12:35:51
1 Milliliter wiegt 1 Gramm

und übrigens:
- 1 ml = 1 cm3, d.h. ein Würfel mit der Kantenlänge von 1 cm (ca. Stück Würfelzucker) aus Wasser ist nur 1 ml
- 100 ml wären demzufolge 100 solche Würfel
- 1000 ml wäre 1000 Würfel, oder auch ein Saftkarton mit 1 Liter

Vielleicht inspiriert es auch den ein oder anderen mal das Volumen seiner Trichterbrust auszumessen. Das würde mich sehr interessieren.

zum Vergleich:

Zitat von: ex.pectus am 07. Januar 2012, 12:43:00
Im Rahmen einer Untersuchung zu Trichterbrust-OPs an der Charité Mitte zwischen 1981 und 1996 wurde auch das Volumen der Trichter vermessen. Ergebnis:
Bei 77 von 93 (83%) Patienten mit Trichterbrust war präoperativ das Volumen des Trichters bestimmt worden. Im Mittel faßte der Trichter 78 ± 42 (10â€"200) ml Wasser. Die getrennte Bestimmung für Frauen ergab mit 52 ± 36 ml (20â€"130 ml; n = 10) einen signifikant kleineren Wert (p < 0,05; t-Test) als bei Männern mit 82 ± 41 ml (10â€"200 ml; n = 67). (Muschik/Wagenitz/Zippel: Operative Trichter- und Kielbrustkorrektur nach einer modifizierten Methode von Mark Ravitch)
Trichter-/Kielbrust Nuss-OP 22.10.2010 (43 J, m, 185 cm, 71,5 kg, Berlin-Buch Prof. Schaarschmidt)
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Thomas_S

Guten Morgen!

Danke für die Einblicke, ex_pectus!

Hinsichtlich Brustwandausdehnung habe ich hier bspw. einen Vergleichswert für 1,60m und 50kg: 5,92cm! (auf 5. Rippe) Aber gemessen an jungen Erwachsenen (Studenten). Ich würde sagen, dass die meisten TBler das Problem haben. Wer gerne messen will, ich würde mich über ein solch statistisches Feedback freuen.

Zu den Brustmuskeln: Ich bin ja Fitnesstrainer/Sporttherapeut und ehemaliger ambitionierter Kraftsportler (Kraftdreikampf mit Wettkampfteilnahmen). Aus meiner Erfahrung heraus kann ich sagen, dass die meisten jungen Menschen (ich sollte eher schreiben Männer) ein solches Training sehr unausgewogen gestalten (Betonung vorderer Deltoideus/vordere Schulter - Bankdrücken, Frontdrücken, Dips etc. bei gleichzeitiger Vernachlässigung der Rotatoren/hinteren Kette -> Verstärkung Rundrücken/nach vorn hängende Schultern; Massegewinne auf dem Pectoralis major bei gleichzeitiger Nichtkorrektur der vorstehenden Rippenbögen durch Spannungsübungen -> seitlicher Doppeltrichter). Ich bin definitiv für ein intensives Krafttraining (auch der Brust!) bei TB und wollte eher darauf hinweisen, dass man den klassischen Ansatz der Trainer in den Studios (Bankdrücken und Bizeps und vielleicht noch etwas Schulter) hinterfragen sollte.

Betonung hintere Schulter, Rotatoren, Rücken allgemein
Brustübungen ohne Beteiligung vordere Schulter
Deltoideus mittlerer und hinterer Kopf
Rumpfstabilisatoren (Schiffsmastmodell)!!! statisch UND dynamisch
Beine nicht vergessen!!!


Also nichts gegen Krafttraining, welches ich grundsätzlich allen empfehle, aber es muss natürlich auch auf die Ansprüche einzelner Haltungsschäden, Krankheiten etc. zugeschnitten sein!

Liebe Grüße
Thomas

PS: Ich freue mich, dass direkt eine fruchtbare Konversation entstanden ist! Und natürlich danke für das Lob. Der Ton *grmpf* liegt daran, dass ich von der Webcam zum Audiorecorder gewechselt bin ... Ich werde es das nächste Mal beachten. ;

ex.pectus

#10
Zitat von: Thomas_S am 16. Oktober 2014, 06:03:15
Aus meiner Erfahrung heraus kann ich sagen, dass die meisten jungen Menschen (ich sollte eher schreiben Männer) ein solches Training sehr unausgewogen gestalten (Betonung vorderer Deltoideus/vordere Schulter - Bankdrücken, Frontdrücken, Dips etc. bei gleichzeitiger Vernachlässigung der Rotatoren/hinteren Kette -> Verstärkung Rundrücken/nach vorn hängende Schultern; Massegewinne auf dem Pectoralis major bei gleichzeitiger Nichtkorrektur der vorstehenden Rippenbögen durch Spannungsübungen -

Ja gut, verstehe. Es geht also nicht nur um die Eindellung (Bereich der roten Linie im Bild), die dich in deinem Seitenprofil stört, sondern allgemein auch die Fehlhaltung bzw. deren Verstärkung. Dazu mal eine ganz einfache Skizze zum Verständnis.



Die angedeutete Fehlhaltung von Nr. 2 und Nr. 4 ist natürlich schlecht und macht keinen guten und gesunden Eindruck. Dass man das möglichst beheben bzw. vermeiden sollte, ist ja klar.

Fraglich scheint mir aber der rote Bereich zu sein. Wenn ich das richtig verstanden habe, gibt es Betroffene, die eine optische Eindellung in diesem Bereich auf jeden Fall nicht haben wollen (auch wenn die übrige Haltung 1a ist). Ich hätte dich dazu gerechnet.

Ich denke aber, dass es sehr viele Athleten gibt, die in diesem Bereich eine optische Eindellung haben. Ich habe jetzt auf die schnelle nicht so viele überzeugende Beispiele gefunden, vielleicht geht folgendes: http://de.fotolia.com/id/5809817
Diese Eindellung sieht man nur aus ganz bestimmten Perspektive. Und wenn jemand ordentlich Muskeln drauf hat, dann kann man der Eindellung kaum ansehen, ob sie durch Muskeln oder durch Rippen erzeugt wird. Mit "man" meine ich die meisten Menschen. Wenige Fachleute werden das vielleicht noch unterscheiden können. Aber was spielt das für eine Rolle (im täglichen Fitness-Studio-Leben)?

Ich denke, dass ist so ähnlich wie mit dem Trichter in der Mitte selbst: Da finden sich manche auch nur sehr schwer mit einem nur optischen Trichter (=also kein abgesunkenes Brustbein) oder einem echten Rest-Trichter (= minimal abgesunkenes Brustbein) ab. Aber es gibt nicht nur aalglatte Brüste, sondern alle möglichen Varianten, darunter auch welche mit optischen Vertiefungen, siehe http://www.trichterbrustforum.de/index.php/topic,1372.msg11064.html#msg11064

Welche Variante einem selber am besten gefällt, ist natürlich Geschmackssache. Aber es ist falsch zu glauben, dass man mit solchen Norm-Varianten irgendwie negatives (!) Aufsehen im Fitness-Studio erregen würde.

Vor ein paar Wochen gab es hier ja auch die Diskussionen zu vorstehenden Bäuchen: Ich habe dann mal verstärkt darauf geachtet, wie das so bei den Besuchern in dem von mir besuchten Fitness-Studio ist: Zum einen ist es schwer, dass überhaupt genau sehen zu können, wenn man nicht unbedingt als Voyeur auffallen will. Und zum anderen ist mir eben aufgefallen, dass es bei mehr Personen der Fall ist, als man hier vielleicht denken würde. Und es hängt davon ab, wie die Leute stehen bzw. sich geben. Ob sie einfach locker dastehen usw. Und ich meine jetzt explizit Athleten, Bodybuilder usw.

Zitat von: Thomas_S am 16. Oktober 2014, 06:03:15
Also nichts gegen Krafttraining, welches ich grundsätzlich allen empfehle, aber es muss natürlich auch auf die Ansprüche einzelner Haltungsschäden, Krankheiten etc. zugeschnitten sein!

Genau. Und wenn man keine gut qualifizierte Betreuung beim Krafttraining hat, dann sollte man sich die parallel dazu organisieren, zumindest anfangs (bspw. indem man sich Physiotherapie beim engagierten Therapeuten verordnen lässt).
Trichter-/Kielbrust Nuss-OP 22.10.2010 (43 J, m, 185 cm, 71,5 kg, Berlin-Buch Prof. Schaarschmidt)
2. OP=Bügelentfernung 20.11.2013 (Magdeburg, Dr. Lützenberg)
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Thomas_S

Guten Morgen, ex_pectus! Schön dich zu lesen.

Ich glaube, wir beide reden immer noch aneinander vorbei. Ich habe natürlich nichts gegen eine Vorwölbung der Brust, wie sie bei einer hypertrophierten Pectoralis major- Partie entsteht, bzw. gegen die dann unvermeidbare "Kerbe" (zwischen unterem Rand Pectoralis major und dem Übergang Brustkorb, beginnender Rectus a). Allerdings haben die wenigsten von uns einen solch schönen Übergang, wie ihn "normale" Sportler haben. Sprich: nach der Einkerbung, die bei uns ohnehin tiefer verläuft (auch aufgrund der abnormalen Rippenkrümmung), folgt eine weitere Vorwölbung (die unteren Rippenbögen), d.h. es gibt keinen "glatten" Übergang zum Rectus a. und das Aufeinandertreffen zweier Vorwölbungen lässt den "Krater" natürlich optisch größer erscheinen. Vergrößert man nun das Volumen des Pectoralis major via Hypertrophie (Bankdrücken in allen Varianten, Dips), wird auch die Einkerbung höher (logisch und normalerweise erwünscht). Der Trichter, die Rippenkrümmung und die vorgewölbten unteren Rippen bleiben aber an ihrem Platz -> die Einkerbung wird größer.

Für mich ist es nicht nachvollziehbar, dass du schreiben kannst, nur ein Fachmann würde diesen Unterschied sehen. Bei einem "normalen" Brustkorb habe ich diese Doppelspitze ja nicht.

Mein zweiter Punkt hatte mit der Übungsauswahl zu tun: Bankdrücken, klassische Dips usw. haben eine sehr starke Beteiligung des vorderen Deltas und verstärken deshalb bei Nichtkompensation das typische Muskelungleichgewicht der TB (nach vorne hängende Schultern, Rundrücken, schwache Rotatoren).

Bei der Betreuungsfrage stimme ich dir absolut zu. Leider haben nicht alle Trainer im Studio (mangels staatlich geregelter Ausbildungskriterien) das selbe Know- How. Gerade spezifische Grunderkrankungen/Haltungsschäden bleiben bei einer 08/15- Zertifizierung natürlich auf der Strecke. Aber da müssen die Kunden sich halt informieren.


Verstehst du etwas besser, worauf ich hinaus will? Sonst muss ich dann auch nochmal was malen.


Liebe Grüße
Thomas


ex.pectus

#12
Mir geht es um folgende Unterschiede:

1. das tatsächliche, objektive Vorhandensein einer Kerbe/Delle
2. deren Erkennbarkeit bzw. Wahrnehmbarkeit (= dass man es überhaupt sehen/erkennen kann)
3. deren Auffälligkeit (= dass es mehr oder weniger sofort ins Auge springt, im Fokus liegt)
4. deren Ã,,sthetik/Unästhetik (= der Einfluss auf die ästhetische Attraktivität)
5. deren Ursache

Diese 5 Punkte kann man natürlich sehr unterschiedlich gewichten.

zu 1.:
Es gibt Menschen, die haben gar keine Delle/Kerbe und es gibt welche, die haben eine.

zu 5.:
Bei den Menschen, die eine solche Kerbe/Delle haben, gibt es folgende Ursachen:
- durch eine Hypertrophie der Bauch- und/oder Brustmuskeln
- durch eine entsprechende Form der Rippen
- durch eine Mischung aus Hyperthrophie und Rippenform

zu 2.:
Am besten erkennen lassen sich solche Kerben/Dellen, wenn man ein entsprechend gut geschossenes Foto hat, das man sich in Ruhe lange genug ansehen kann. Oder man ist Mediziner oder Therapheut und kann sich den Patienten bei einer Untersuchung lange genug anschauen.
-> Im Alltag eines Fitness-Studio eher schwer bis gar nicht zu erkennen, weil das Beobachtungsobjekt nicht lange genug in der erforderlichen Position und Perspektive verharrt.

zu 3.:
Es gibt natürlich auch Fälle, die sind insgesamt so dürr, dass man vielleicht befürchtet, die brechen an dieser Stelle auseinander. Das gilt aber nur für Ausnahmen, nicht für die Masse derer, die so eine Kerbe/Delle haben.
-> Von Auffälligkeit kann bis auf extremste Ausnahmen keine Rede sein. Schon gar nicht, wenn jemand entsprechend Muskeln aufgebaut hat. Eine Kerbe/Delle, die (auch) durch Hypertrophie verursacht wird, ist nie negativ auffällig.

zu 4.:
Bzgl. Ã,,sthetik/Attraktivität ist vieles möglich und es ist müssig darüber zu streiten. Beispielsweise ist es ja auch so, dass für viele Couch-Potatoes eine "Strandfigur" der Wunsch schlechthin ist. Wenn sie dann beim Bodybuilding eine Weile dabei sind, wird eine "Strandfigur" plötzlich unästhetisch und zum Schimpfwort. Umgekehrt gelten Leute mit Muskeln, sehr schnell als unattraktiv, wenn sie es "übertreiben".


Zitat von: Thomas_S am 17. Oktober 2014, 09:41:51
Für mich ist es nicht nachvollziehbar, dass du schreiben kannst, nur ein Fachmann würde diesen Unterschied sehen. Bei einem "normalen" Brustkorb habe ich diese Doppelspitze ja nicht.

Ich meine den Unterschied zwischen bloßem "sehen" und explizitem "wahrnehmen". Natürlich können auch Laien das sehen, aber sie nehmen das nicht so war, wie ein Fachmann, der das professionell sieht, oder ein Betroffener, der sich darauf eingeschossen hat.

Anderes Beispiel: Wer schon mal wegen einer Kieferfehlstellung beim Kieferorthopäden war bzw. sich im Internet umgesehen hat, hat vermutlich hinterher eine völlig neue Sicht für Kieferformen. Man nimmt plötzlich Dinge war, die man zwar schon immer sehen konnte, die einem aber vorher nie aufgefallen sind. Das geht aber bei den meisten vermutlich nur eine kurze Zeit lang so, dann verliert es wieder an Bedeutung und wird wieder unwichtig.
Dass ein markantes Kinn einen Mann männlicher wirken lässt, weiß und empfindet vermutlich jeder. Aber man kann da natürlich noch viel tiefer in die Details gehen. Die sind alle bei jedem da und sichtbar. Sie werden aber von den allerwenigsten als solche wahrgenommen.
Und es gibt zwar in der Theorie bestimmte Regeln, nach denen bestimmte Kieferformen als weniger attraktiv gelten als andere. Die Praxis zeigt aber, dass auch Prominente mit unattraktiven Kieferformen insgesamt als attraktiv gelten (und erfolgreich sind).
Trichter-/Kielbrust Nuss-OP 22.10.2010 (43 J, m, 185 cm, 71,5 kg, Berlin-Buch Prof. Schaarschmidt)
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ex.pectus

Zitat von: Thomas_S am 17. Oktober 2014, 09:41:51
Guten Morgen, ex_pectus! Schön dich zu lesen.

Vielen Dank, das gilt umgekehrt genauso.

Und ergänzend zu meinem vorherigem Beitrag,

noch zu Punkt 5 (Ursache der Kerbe/Delle):

Für eine mögliche Behandlung, Vermeidung oder Verringerung der Kerbe/Delle spielt die Ursache natürlich eine entscheidende Rolle. Aber sonst doch eher weniger, insbesondere für 3. (Auffälligkeit) und 4. (Ã,,sthetik/Attraktivität).

Und wenn man die Kerbe/Delle mit nicht-chirurgischen Methoden verringern kann, dann wäre das sicher toll und eine große Hilfe für viele. Aber wenn es nicht mit nicht-chirurgischen Methoden geht, sollte man sich wirklich mehr als dreimal überlegen, wie bedeutsam bzw. besser unbedeutsam so eine Kerbe/Delle eigentlich wirklich ist.

Trichter-/Kielbrust Nuss-OP 22.10.2010 (43 J, m, 185 cm, 71,5 kg, Berlin-Buch Prof. Schaarschmidt)
2. OP=Bügelentfernung 20.11.2013 (Magdeburg, Dr. Lützenberg)
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Thomas_S

Hallo, ex_pectus!

Du meinst ich sitze gleich einem doppelten Wahrnehmungsbias auf? Nämlich dem als Betroffener UND Therapeut/Trainer? Das würde ich bei mir nicht einmal ausschließen. Es ist ja eh recht klipp und klar erwiesen, dass Selbst- und Fremdwahrnehmung beim Pectus e. und c. weit auseinander gehen. Lustigerweise haben mich schon mehrmals Laien am Strand gefragt (damals noch aktiv und mit ca. 90kg): "Kommt die Delle vom Kraftsport?" Es hatte für sie erst einmal überhaupt nichts mit einer Deformität zu tun ...

Bis bald.
Thomas