Erfahrungsbericht TB n. Nuss in Berlin-Buch mit 44 J.

Begonnen von Zarathustra, 30. Mai 2008, 19:30:33

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Zarathustra

Ein Hallo an alle TB-Interessierten. Ich heiße Helmut, komme aus Bayern und bin mit 44 Jahren in Berlin-Buch mit 2 Bügeln ausgestattet worden.

Dieses Forum war für mich sehr wichtig zur Entscheidungsfindung. Deshalb habe ich mich entschlossen auch meine Erfahrungen hier bereitzustellen. Vielleicht hilft es dem Einen oder Anderen für seine eigene Entscheidung.

Viel Spaß beim Lesen!


Vorgeschichte:

Ich hatte eine symmetrische TB, die mir in der Pubertätszeit die gleichen psychischen Probleme bereitete wie vielen anderen auch: mangelndes Selbstwertgefühl, man geniert sich oben ohne und bekommt oft zu hören „Du mit deiner Hühnerbrust“. (Ich weiß nicht wie der Name entstanden ist, habt ihr schon mal ein Huhn mit einem Trichter gesehen?)

Als physische Probleme hatte ich eigentlich nur vermehrte Bronchialinfekte, insbesondere Lungenentzündungen (die wahrscheinlich auf die TB zurückzuführen waren). Deshalb wurde ich auch mit 17 Jahren von meinem Hausarzt nach München rechts der Isar geschickt um mich über eine evtl. OP zu beraten. Aufgrund der Schwere der OP und der relativ geringen Probleme (es wäre eine Schönheitsoperation) riet man mir davon ab. Niemals würde ich eine solche Operation wegen der Schönheit riskieren. Einzige Einschränkung: ich sollte keinen Leistungssport machen, Sport an sich jedoch schon.

Da ich bereits vorher schon gerne Sport trieb (Fußball, Tennis), änderte sich für mich erst mal nichts. Mit 28 habe ich mit Ausdauersport (Laufen, Radfahren) angefangen und dies auch leistungsorientiert gemacht. 12 Jahre hatte ich keine Probleme mit meiner TB.

Mit 41 wurde ich dann zum Ersten Mal mit Verdacht auf Herzinfarkt in ein Klinikum eingeliefert. Nachdem nichts auffälliges gefunden wurde wollte man mir einen Herzkatheter (eine Spezialität des KH) machen, was ich jedoch ablehnte (weil ich mir sicher war dass er ohne Befund sein würde). Danach immer wieder Engegefühle im Herzen, nächtliche Unruhe und ein Herz das mitunter heftig gegen die Brust hämmert.

Mehrere Herzspezialisten waren sich einig dass es nicht das Herz an sich war welches Probleme bereitet. (Meine Hinweise auf die Trichterbrust wurden meist lächelnd abgetan!). Da ich nicht locker ließ mit meiner Diagnose TB kam einer der Ã,,rzte davon auf die Idee ein Thorax-CT machen zu lassen.

Zusätzlich suchte ich im Internet nach Alternativen und bin auf das Trichterbrustzentrum in Erlangen gestossen, was mir mit seiner großen Erfahrung und dem Leitspruch „heute macht man´s schonend“ sowie der geringen Entfernung als die Lösung erschien. Auf eigene Faust rief ich dort an und vereinbarte einen Untersuchungstermin.

Am 15.11.2007 in Erlangen wurde ich dann von einer Ã,,rztin und 2 „Assistentinnen“ kurz vermessen. Der Konsens lautete: Ich kann mir nicht vorstellen dass ihre Probleme von der Trichterbrust kommen. Enttäuscht fuhr ich wieder nach Hause.
Nach 4 Wochen bekam ich Post aus Erlangen. Ein von Prof. Hümmer unterzeichneter Brief (Bescheinigung zur Vorlage bei der KK!!) erläutert hier dass meine Probleme mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die TB zurückzuführen sind und eine OP angeraten wird
(TB-Tiefe 8,45 cm, Haller-Index 3,6). Jetzt verstand ich gar nichts mehr!! (Wem sollte ich glauben?)

Am 07.12.2007 ließ ich dann das CT machen und fuhr damit zu einem Herzchirurgen, der auch Sportmediziner ist und der zeigte mir anhand des CT dass mein Herz aufgrund des Trichters doch eine erhebliche Kompression hat. Er vereinbarte einen Termin in der Kinderklinik München Schwabing um die TB zu operieren. Einen Tag nachdem ich dort wegen eines Vorstellungstermins angerufen hatte bekam ich die niederschmetternde Nachricht vom leitenden Stationsarzt, dass er nur Jugendliche bis 18 Jahre operiert.


Von den konträren Aussagen aus Erlangen doch etwas verwirrt, suchte ich wieder im Internet nach einer Alternative. Gott sei Dank bin ich auf dieses Forum gestoßen. Eine 2. Meinung wollte ich mir einholen und zwar aus Berlin-Buch von Prof. Schaarschmidt.

Kurzerhand schickte ich am 27.02.2008 eine Mail an Prof. Schaarschmidt, die er sehr freundlich am gleichen Tag beantwortete. Ich bekam einen Termin am 21.04.
Der Termin verlief ganz unspektakulär. Die TB wurde vermessen: 9 cm bei tiefer Inspiration. Er sehe gute Möglichkeit die TB mit 2 Bügeln nach der Nuss-Methode zu korrigieren.
„Warum sind sie nicht schon vor 10 Jahren gekommen“ lautete seine Frage. (Anmerkung: da hatte ich noch keine Probleme!).
Er schlug mir vor sobald wie möglich zu operieren, da die TB sich erfahrungsgemäß verschlimmert wenn sie mal damit angefangen hat Probleme zu machen und ich mich schon in einem grenzwertigen Alter befinde. Da ich mich vorher schon mit dem Thema OP auseinandergesetzt habe war ich auch sofort dafür. Prof. Schaarschmidt arrangierte mir einen Termin in 1 Woche am 28.04 (hierfür nochmals ein herzliches Dankeschön). Die Zeit drängte â€" es mussten noch einige Voruntersuchungen (Allergietest, EKG, Blutbild, Lungentest) gemacht werden.

Anreise (Montag):

Am 28.04. reiste ich voller Hoffnung in Berlin an. Das Einchecken funktionierte wie am Schnürchen, die Untersuchungen liefen alle gut terminiert ab â€" es gab keine langen Wartezeiten. Der erste Arzt der mir Blut nahm klärte mich gleich über die OP auf (Tunnel fräsen â€" mit Licht â€" Rippen anbrechen ...). Bin ich wirklich richtig hier?
Auf geht´s zur Anästhesie: außer den „bekannten“ Risiken einer Anästhesie wurde ich auch gefragt ob ich die TB-OP wirklich notwendig ist und ich mir das in meinem Alter wirklich noch antun will! Bin ich wirklich richtig hier?
Nicht verunsichern lassen, auf in die Station â€" Gedanken abschalten! Mein Zimmer teilte ich mit einem Leidgenossen, der in Sachen TB-OP schon einiges erlebt hatte und hier fast schon zum Inventar gehörte. Nein ich lasse mir von ihm keine Angst einflössen. (Das rieten mir auch die Schwestern )
Eine Schwester meinte: Haben Sie sich das wirklich gut überlegt? (Ich will heim!)
Diese Nacht habe ich keine Minute geschlafen. Ich schwebte in einem Wechselbad der Gefühle zwischen Heimfahren und Hierbleiben. In letzter Instanz bat ich meinen Schöpfer um Rat, um ein Zeichen (evtl. ein Traum). Es kam nichts! Da es nicht negativ war nahm ich es als Anlass zu bleiben.

2. Tag â€"OP (Dienstag)

5:30 Uhr bringt mir eine Schwester 1 Glas Wasser, später wird Fieber und Puls gemessen. Termin zur OP ca. 9:30 Uhr (je früher desto besser). Ich schau noch mal auf´s Handy: liebe SMS von meinen besten Freunden â€" ich umarme alle noch mal. Dann geht alles ganz schnell: Beruhigungstablette und OP-Gewand und ab geht´s in den OP-Saal.
Zivi Markus bringt mich an meinen Bestimmungsort. Der erste Lapsus - die „nette“ Schwester (lt. Markus) bringt keine Kanüle in die Vene (wahrscheinlich liegt das an meinen eiskalten Händen) Sie probiert es weiter oben â€" endlich klappt´s. Der Anästhesist kommt hinzu (er ist freundlich und ruhig). Ich sage ihm dass ich bei meiner letzten OP (Mandeln) Herzrhythmusstörungen hatte und deshalb bekomme ich noch eine extra Kanüle in die Schlagader der rechten Hand. Außerdem sage ich ihm (zu meiner Beruhigung) dass mein Herz am Trichter ansteht. Er lässt sich noch eine Kopie des CT anfertigen (hätte er das nicht vorher machen sollen?). Jetzt wird der Periduralkatheder (PDA) langsam eingeführt ... schon nach wenigen Sekunden macht es buff â€" und weg bin ich. Als ich wieder zu mir komme wird der PDA weiter nach unten geschoben â€" fertig. Aus irgendeinem Grund werde ich noch eine Zeitlang in den Aufwachraum geschoben (dort ist es wenigstens warm). Um 12:30 Uhr geht es dann wirklich los. Rein in den OP, kurzer Gruß, Maske auf und ab geht’s. Ich wache um 16:30 Uhr auf der ITS wieder auf â€" meine Frau und mein Schwiegertiger sind auch da. Ich lebe noch, habe keine Schmerzen und meine Brust fühlt sich pelzig und hart an. Zum Abendessen bestelle ich mir 2 Brote. Anfangs hat der Organismus noch ein wenig Probleme damit, aber bis 20 Uhr habe ich alles aufgegessen. Es ist mir gut bekommen und ich schlafe sehr gut in der ersten Nacht.

3. Tag (Mittwoch)

Ich freue mich schon auf das Frühstück. Vormittag kommt die Visite mit Prof. Schaarschmidt und er ermuntert mich meinen Atemtrainer „Coach“ zu benutzen. Ich hänge mich richtig rein obwohl ich merke wie mir schwindlig wird â€" bei 3.700 ml macht es buff und ich bin wieder mal kurz weg.
Ich vermute dass folgendes passiert ist (gefunden im Internet unter Nebenwirkungen der PDA): Versehentliche totale Spinalanästhesie. Wird die soeben beschriebene Durapunktion ungewöhnlicherweise vom Anästhesisten nicht bemerkt und die gesamte für den Periduralraum vorgesehene Menge an Lokalanästhetikum nun in den Spinalraum eingespritzt, kann dies zu starken Blutdruckabfällen, Atemlähmung und Verlangsamung des Herzschlages bis - im Extremfall - zum Herzstillstand führen. Jeder Anästhesist sollte jedoch in der Lage sein, dieser Situation Herr zu werden, ohne dass der Patient bleibenden Schaden nimmt (Beatmung, Vasopressoren, Atropin, etc.)
Kein Wort darüber was war, erst nachdem ich sehr hartnäckig überall nachgefragt hatte erfuhr ich sehr viel später dass ich einen kurzen Herzstillstand hatte â€" ein komisches Gefühl! Danach habe ich erst mal viel geschlafen und ab und zu an der Pumpe über den PDK eine Extraportion Schmerzmittel angefordert.

4. Tag (Donnerstag)

Gegen 4:30 Uhr wache ich auf, mir ist speiübel. Beim 1. Mal Ãœbergeben kommt nur Luft, danach auch etwas Flüssigkeit. Ich bin nicht sehr geschickt mit der Kotztüte, deshalb geht etwas daneben und ich ärgere mich über mich selbst. Eine der netten Schwestern auf der ITS bringt mir eine Spritze gegen die Ãœbelkeit. Sie hilft mir beim Saubermachen und ich kann normal frühstücken. Danach bekomme ich wieder Kreislaufprobleme und habe Angst vor dem nächsten BUFF â€" er bleibt aus! Später kommt meine Physiotherapeutin Frau Walter zu mir und macht ein paar Ãœbungen mit mir. Erstmals darf ich aufstehen (mit all den Flaschen) und wir gehen gemeinsam ein Stück auf dem langen KH-Flur. Ist sehr anstrengend, aber macht riesenspaß.

5. Tag (Freitag)


Heute kann ich mich zum Ersten Mal selbst im Bad waschen â€" eine Wohltat. Der Leiter der Neurologie kommt vorbei (weil mein linkes Lid etwas abnormal herunterhängt). Ich bin ein klassisches Lehrbuchbeispiel für irgendwas (ich konnte es mir nicht merken), deshalb wird der PDA abgeschaltet. Die Schmerzen nehmen erheblich zu, ich kann mich kaum noch bewegen. Trotzdem kann ich in der Nacht relativ gut schlafen.

6. Tag (Samstag)

Der PDK wird endlich entnommen. Man merkt es gar nicht und es gab ausnahmsweise mal keine Komplikationen.

7. Tag (Sonntag)

4:20 Uhr Blutentnahme am Finger (Aua) 2x weil die Messung beim 1. Mal nicht klappte.
7:45 Uhr Dr. Schaar hört meine Lunge ab â€" alles in Ordnung meint er, aber unten hört er ein kräftiges Rumoren im Bauch (klar ich hab auch schon einen Bärenhunger). Nach dem Frühstück will ich etwas spazieren gehen, aber es wird mir schnell übel und ich lege mich wieder hin. Unter Protest mache ich Atemübungen mit Frau Walter (aber nur mit halber Kraft). Zum 1. Mal scheint die Sonne in mein Zimmer â€" sie bringt wieder Leben in meinen geschundenen Körper. Nachmittag bekomme ich Besuch und wir fahren in einem Rollstuhl in die Cafeteria. Es ist mir immer kalt â€" aber nach Kaffee und Kuchen sowie einem Sonnenbad vorm Haupteingang geht es mir besser. Am Spätnachmittag bekomme ich einen neuen Bettnachbarn und wir schauen uns abends zusammen einen lustigen Film an. Hätte sehr viel mehr gelacht wenn ich richtig gekonnt hätte. In dieser Nacht bekam ich dann die bisher größten Schmerzen. Um 4 Uhr läute ich der Schwester â€" und bekomme noch eine Schmerztablette.

8. Tag (Montag)

Es müssen die „Schlussschmerzen“ gewesen sein, denn ab heute geht es spürbar aufwärts. Ich bin sehr viel unterwegs, bekomme noch ein 24-h-EKG (wegen dem BUFF) und wegen zu guter Führung werde ich auf die normale Station verlegt. Ein wenig Wehmut ist schon dabei â€" ich hatte ein schönes Zimmer (mit eigenem Kran) und wurde von den Schwester sehr gut versorgt.

9. bis 12. Tag (Dienstag bis Freitag)


Die Auswertung des 24-h-EKG gibt kein Anlass zur Besorgnis. Lauter 0-Werte.
Am Dienstag wird der 1. Ultraschall gemacht (wegen der Lungenflüssigkeit) links 250 mm und rechts 400 mm, das ist grenzwertig und muss am Freitag noch mal überprüft werden. Laut Prof. Schaarschmidt lässt sich das durch viel Atemtraining verbessern. Ich will nach Möglichkeit das Punktieren vermeiden, deshalb gehe ich viel spazieren, mache regelmäßig meine Atemübungen und gehe mit Christian zum Radfahren auf dem Heimtrainer. Jetzt bekomme ich auch täglich Massagen und wir machen Gruppengymnastik mit unseren netten Physiotherapeutinnen. Am Freitag werden die Fäden gezogen und der Ultraschall ergibt links 200 mm und rechts 150 mm. Meiner Entlassung steht nichts mehr im Wege.

Jetzt sind 4 Wochen seit der OP vergangen und es geht mir immer besser. Ich fahre regelmäßig mit dem Fahrrad und schwimme ab und zu. Gymnastik und Atemübungen mache ich auch noch. Büroarbeiten konnte ich nach 14 Tagen schon machen (ca. 1-2 h). Das Autofahren war anfangs noch etwas schwierig (besonders das Rückwärtsfahren) aber mittlerweile geht auch das schon ganz gut. Zur Schmerzmedikation nehme ich aktuell noch 2x täglich eine Ibuprofen 600, was ich nächste Woche auf 3x ½ reduzieren will.

Ob es jetzt richtig war oder nicht kann ich nach der kurzen Zeit noch nicht endgültig beurteilen. Es ist auf jeden Fall ein schönes Gefühl wenn meine Organe jetzt genügend Platz haben. Das Herz pocht nicht mehr gegen die Brust und auch optisch sieht es sehr gut aus. Für mich persönlich ist klar, dass ich solch eine komplizierte OP (die sich relativ harmlos anhört, schon wegen dem Wort minimalinvasiv) niemals wegen der Schönheit machen lassen würde. Das Risiko der Komplikationen oder ums Leben zu kommen ist â€" wie bei jeder OP â€" da und deswegen sollte jeder für sich die Entscheidung treffen ob es ihm das Wert ist.


DANKE


  •    dem Ã,,rzteteam in Berlin-Buch um Prof. Schaarschmidt für ihre tolle Arbeit
  •    allen Schwestern (Zivis, Azubi etc.) auf der ITS und in der Kinderchirurgie
       für ihre stets freundliche und hilfsbereite Betreuung
  •    meinen Freunden und Verwandten für ihre Anteilnahme und die Unterstützung
  •    meinem Schöpfer
  •    meinem Körper, der in wundervoller Art und Weise daran arbeitet mich wieder „gesund“
       werden zu lassen
Wir meinen, das Märchen und das Spiel gehöre in die Kinderzeit, wir Kurzsichtigen. Als ob wir in irgend einem Lebensalter ohne Märchen und Spiel leben möchten. (Nietzsche)

Zarathustra

Die Bilder hochladen hat nicht geklappt.
Vielleicht jetzt ...
Wir meinen, das Märchen und das Spiel gehöre in die Kinderzeit, wir Kurzsichtigen. Als ob wir in irgend einem Lebensalter ohne Märchen und Spiel leben möchten. (Nietzsche)

Zarathustra

Anscheinend kann man immer nur 1 Bild hochladen.
Jetzt ein Bild vom CT + Röntgenbild nach OP
Wir meinen, das Märchen und das Spiel gehöre in die Kinderzeit, wir Kurzsichtigen. Als ob wir in irgend einem Lebensalter ohne Märchen und Spiel leben möchten. (Nietzsche)